Iceberg A23a 20.01.2024

An unserem zweiten Seetag in der Scotia Sea Richtung Antarctica Peninsula, haben wir das Wetter- und Seegangglück, auf den momentan grössten Eisberg der Erde zuzusteuern und an seiner Front Anker zu legen. Vor uns liegt ein gigantischer Koloss mit einem Ausmass von 4000 Quadratkilometer Oberfläche und 400 Meter Dicke (Quelle: Esa). 1986 abgebrochen und nach fast vier Jahrzehnten vom Meeresboden in der westlichen Antarktis abgelöst, treibt er nun seit 2020 im Weddellmeer. Angetrieben von Winden und Strömungen legt er einen Spurt hin und bewegt er sich vergleichsweise «schnell» weg von den antarktischen Gewässern Richtung South Georgia, wo die meisten Eisberge aus diesem Sektor landen. Was wird mit ihm passieren? In wärmeren Gewässern wird er nun von unten nach und nach abschmelzen. Er wird instabiler und dadurch kann er in mehrere Teile zerbrechen. Er wird dann nicht mehr an der Tabellenspitze der Giganten stehen. Auch könnte er wieder auf Grund auflaufen und damit das empfindliche Ökosysteme am Meeresboden streifen und schädigen. Die Freigabe einer riesigen Menge an Frischwasser, welches wesentlich weniger nährstoffreich ist, könnte zudem das Ökosystem negativ beeinflussen. Der Eisberg könnte aber auch weiter bis nach Südafrika vordringen und dort den Schiffsverkehr stören. World’s largest Iceberg

Elefant Island, 21.01.2024

Der Besuch von Elefant Island ist wohl auf jeder Bucketlist eines Shackleton-Fans, zu welchen wir nach der unglaublichen Rettungsgeschichte seiner Crew in den antarktischen Gewässer nun auch gehören. Das Besteigen des Zodiacs vom Gateway aus gestaltet sich etwas abenteuerlich. Der Ausflug lohnt sich aber. Unzählige «Chinstrap Penguins» tummeln sich im Wasser und wirken wie kleine Delfine auf uns. Es scheint, als würden sie neugierig unser Zodiac unter und über dem Wasser im Auge behalten. Doch, bei unserem heutigen Ausflug werden nicht nur sie die Hauptrolle spielen. Es ist der kleine Uferstreifen, an welchem 22 Mann von Shackletons Crew am 30. August 1916 nach vier Monaten und sechs Tagen Überlebenskampf im antarktischen Winter, bei Winden von 120km/h, rund einen Monat nach Shackletons Ankunft in der Walfangstation auf South Georgia gerettet wurden. Die Suche nach einem geeigneten Rettungsschiff ging bis nach Chile, denn die Bedingungen waren winterlich, und das Schiff musste eisbrecherische Fähigkeiten haben. Kapitän Luis Pardo Villalón von der chilenischen Navy, erklärte sich dazu bereit, Shackleton auf seinem Schiff «Yelcho» aufzunehmen und Elefant Island anzusteuern. Heute erinnert die Statue von Luis Pardo an den Ufern von Elefant Island an diesen Moment.

Brown Bluff / Kimes Cove 22.01.2024

Die Antarctic Peninsula ist eine 1’800 km lang geformte Bergkette im Westen der Antarktis, die am meisten besuchte Gegend der Antarktis im Vergleich zum schwierig erreichbaren Landesinneren. Küsten, Berge, Gletscher und Wildleben machen sie im Sommer auf der Südhalbkugel zu den unvergesslichsten Orten auf unserer Welt.

Umringt von weissen Eisblöcken und Eisshields wachen wir am nördlichsten Zipfel der Peninsula auf. Der blaue Himmel lässt das Eis in allen Blautönen erscheinen. Heute ist das Meer ruhig, als würde sich eine weite Plastikfolie darüber spannen. Wir können an Land zu den brütenden Gentoo- und Adelie Penguins. Die Adelies bekommen wir heute zum ersten Mal zu Gesicht. Sie sind zum Verlieben süss. Mit ihrem kurzen Hals und den langen Schwanzfedern wirken sie besonders unbeholfen an Land. Zu was dienen die Flügel am Land? Zum Ausbalancieren. Nach unserem Landausflug cruisen wir mit dem Zodiac noch in der Bucht, wo sich Gentoo Penguins auf Eisscholle ausruhen und in Gruppen zum Fischen treffen und Humpback Wale um unsere Zodiacs kreisen. Auch sie sind am Fischen und lassen sich durch uns nicht davon abhalten. Gleich zu dritt oder zu viert hängen sie eher träge im Wasser und bringen durch ihre Bubbles den Krill zusammen, um die Konzentration beim nächsten Schluck zu erhöhen. Wir sind so glücklich und hoffen, dass unsere Guidin «Pepper» keinen Rüffel bekommt. Wir waren 15 Minuten zu lange draussen (Guests versus Crew).
Am Nachmittag fahren wir erneut mit dem Zodiac aus. Leider können wir erneut nicht an Land, da sich eine riesige Kolonie von Adelie-Penguins an der Bucht aufhält und uns gar keinen Platz lassen würde, um ihr Festland zu betreten. Eigentlich können wir uns glücklich schätzen. Steil kämpfen sich die lustigen Pinguine mit ihren nicht gerade berggängigen Flossen den Berg empor, eine Meisterleistung. Bergab gibt’s eine bessere Lösung: bäuchlings. Das launische Wetter in der Antarktis zeigt sich gut und vor allem frisch gelaunt.

Deception Island, Whalers Bay 23.01.2024

Unser Kapitän steuert die Endeavour direkt in die Kaldera der Vulkaninsel Deception Island. Der Vulkan ist immer noch aktiv, seine letzte Eruption war im Februar 1969. Aber keine Angst. Er erinnert uns etwas an den Yellowstone-Nationalpark in den USA. Nur der Schwefelgeruch und die aufsteigende Dämpfe der Kaldera erinnern uns daran, dass unter dem Meeresspiegel vulkanischer Untergrund ist. Auch die Wassertemperaturen sollen hier lokal bis an die 17 Grad steigen.
Im Jahr 1911 wurde auch hier eine norwegische Walfangstation gegründet. Das Gewässer innerhalb der Kaldera ist geschützt und zum Anlegen grosser Schiffe geradezu ideal. 1931 wurde die Walfangstation infolge des immensen Preissturzes des Walöls geschlossen. 1944 übernahm die britische Royal Navy drei Gebäude der ehemaligen Walstation (für die Operation «Tabarin»). Später wurde die Basis den Wissenschafts- und Kontrollstationen von Falkland Islands übertragen. Vor allem Wetter- und Luftmessungen wurden hier getätigt. Wegen diversen Vulkaneruptionen musste die Basis immer wieder geschlossen werden. Die definitive Schliessung war im Februar 1969, als ein Lavastrom viele Gebäude zerstörte. Es ist noch nicht entschieden, wann und ob die verbliebenen, vom Lavastrom zerstörten Gebäude entfernt würden. Der Boden hier ist heute von international geologischem Interesse, ebenso sind die Ruinen wichtige Zeitzeugen aus der früherer Walfang- sowie Forschungszeit. Für Whalers Bay ist immer noch die Britisch Antarctic Survey in Cambridge zuständig.

Orne Harbour / Danco Island, 24.01.2024

Heute sind wir unter die Wissenschaftler gegangen, genauer gesagt, begleiten wir Simone. Sie ist eine Polar-Wissenschaftlerin und arbeitet für «Scott Polar Research» an der Universität von Cambridge. Ihr Fokus liegt in der Polar-Akustik, wobei wir ihr heute mit unseren Erfahrungen als Touristen behilflich sein werden. Simone ist übrigens auch eine hervorragende Sängerin und singt am Abend auf der Künstlerbühne «Halleluja» von Leonard Coen einfach perfekt! Wir sind mit Mikrofonen und Hydrofonen ausgerüstet und damit im Zodiac akustisch omnipräsent. Wieder treffen wir Humpbackwale in der Bucht an. Leider sind sie nicht im Singmodus, sondern am Futtern hier in der Bucht. Aber ihre Atmung über dem Wasser, können wir Dank Verstärkung des Mikrofonsignals perfekt hören. Eine neue Sinneswelt eröffnet sich uns, als wir die ganze Bühnenakustik von Walatmung, Kommunikation der Chinstrap Penguins und von Kormoranen am Fels, insbesondere deren Kükenrufe, differenzierter hören können. An Land machen wir einen kleinen Hike aufwärts über den Schnee, um einen besseren Ausblick über das spiegelglatte Wasser, bedecket von ein paar Eisschollen, zu erhaschen. Wie in einem Bergsee widerspiegeln sich die umliegenden Berge an der Oberfläche.
Am Nachmittag legen wir in Danco Island an, das Zuhause von Gentoo Penguins, Leopard Seals und Weddel Seals. Wir beobachten für einige Zeit die Gentoos beim Brüten und dazwischen die nervigen Snowy Sheathbills. Warum nervig? Die Hühner streifen durch die brütenden Gentoos und versuchen, die Nester auszurauben! Tun wir es den Hühnern nicht gleich?

Ship Cruise im Lemaire Channel 25.01.2024

Hier zeigt sich eine fantastische Landschaftsszenerie. Schneebedeckte und steil abfallende Berghänge enden hier beidseits im Kanal. Der Kanal weist eine Breite von 800 Metern auf. Schwimmende Eisschollen erschweren eine allfällige Durchfahrt. Bedenkt man, dass aus physikalischen Gründen sich nur etwa 1/10 der Eismasse an der Wasseroberfläche zeigt, kann man sich vorstellen, wie gefährlich eine Durchfahrt unter diesen Bedingungen ist. Der Wind weht zudem aus einer ungünstigen Richtung. Für etwa eine Stunde verweilen wir auf der Brücke und beobachten den Kapitän Jacques und seine Crew. Schlussendlich muss das Durchfahrtsprojekt abgebrochen werden, zu viel würde auf dem Spiel stehen. Wir wollen ja nicht – wie die Titanic – das Schicksal im Eismeer erleiden.

Unser «Polar Pflunge» fällt ohne uns ins Wasser, da das «Lemaire»-Projekt einfach zu viel Zeit in Anspruch nahm. Eigentlich sind wir froh darüber, dass wir nicht in Badehosen bekleidet ins Eismeer springen müssen. Klar, wir hätten nicht müssen, aber, hätten wir es nicht gemacht, hätten wir uns später sicherlich über uns Weicheier geärgert. So liessen wir einfach das Schicksal der Zeit und Machbarkeit darüber entscheiden. Wir hätten es gemacht, wäre da nicht der Konjunktiv.

Am Nachmittag gehen wir zum letzten Mal an Land. Damoy Point, eine argentinische Forschungsstation, welche im Moment nicht besetzt ist, ist unser Ziel. Ein steifer Wind bläst, und lässt uns die Luv-Seite der Antarktis spüren. Die Gentoo Penguins trotzen aber der Kälte und wachen aufmerksam auf ihrer Brut. Auf rauer See werden wir auf der Rückfahrt im Zodiac gleich mehrmals geduscht, wohl als Ersatz des abgesagten «Polar Pflunge» Vor lauter Spass vergessen wir Nässe und Kälte.

Rückfahrt nach Ushuaia 26.01.2024

Auf der Rückfahrt nach Ushuaia passieren wir die Drake Passage. Einen Tag lang mussten wir Wellen von zehn Metern Höhe intestinal durchhalten. Stugeron-sei-Dank, konnten wir das Rückwärtsessen vermeiden. Während meinen Planks im Fitnessstudio, wurde meine Arm- bzw. Beinmuskulatur im Wechsel arg belastet. Auch das Fahrradfahren führte über Stock und Stein. Kein Wunder, war ich mit meinem Spiegelbild alleine im Studio. Am Morgen des 28.01.2024 legen wir wieder in Ushuaia an und treffen Horu unversehrt an.

2 Comments

  1. Thomas

    Mega schön! Super Bilder.
    Bei Stugeron kommen mir da so einige Erinnerungen 🙂
    Geniesst eure Reise weiterhin.

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    • Karin

      Uns auch! Stugeron=Thomi❤️

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