Ensenada 15.11.2022
Am Vorabend übernachten wir auf dem grenznahen Campground Potrero, um am kommenden Morgen zeitig bei Tecate nach Mexiko einzureisen. Wir haben gehört, dass die Zollbeamten am frühen Morgen noch eher frisch gelaunt sein würden. Nicht nur wir haben das gehört. Es treffen fünf Vans in Potrero ein, alle mit dem gleichen Ziel, Baja California am nächsten Morgen, Schweizer und Deutsche. Mit Sibylle und Hermann aus dem Kanton Schwyz nehmen wir sofort Kontakt auf, ein reger Austausch entsteht. Sie sind schon erfahrene Reisende, über vier Jahre unterwegs, selbst während der Pandemie. Die beiden erwarten noch Jean François aus Los Angeles. Am nächsten Morgen fahren wir in besagtem europäischen Konvoi nach Tecate zum Border. Jean Francois haben wir kurzfristig verloren, aber er ist ein erfahrener Grenzgänger. Wir parken auf der USA-Seite unser Fahrzeug, wo aber alles schon sehr mexikanisch wirkt. Der Parkplatz mit mexikanischem Wärter im Häuschen weist mit 6 USD Gebühr aber wieder sehr auf Amerika hin. Zu Fuss verlassen wir die USA durch eine Stahl-Drehtür mit eingebauter Lärmrätsche und lassen uns unser FMM-Formular (Touristenkarte für 6 Monate) auf dem mexikanischen Zollamt abstempeln. Dieses müssen wir dann im Office kopieren lassen – der Weg dorthin führt durch eine Gepäckskontrolle, weiter über eine Strasse, überall mexikanische Grenzbeamte. Es geht wieder zurück auf der anderen Strassenseite. Dann zur TIP-Kasse, wo wir versuchen, für Horu eine 10-jährige Aufenthaltsbewilligung ohne Hinterlegung eines Depots zu erhalten. Voraussetzung ist, dass er ihm Fahrzeugausweis als Wohnmobil beschrieben ist. Wir versuchen der Beamtin zuerst klar zu machen, dass ein Worldcuiser (Klassifizierung unseres Fahrzeugerbauers) bei uns ein Wohnmobil sei. Das haut leider nicht hin. Dann entdecken wir irgendwo auf dem Fahrzeugausweis das Wort „Wohnmob.“. Wir erklären ihr dann die Übersetzung dazu auf Spanisch: „habitacion movile“. Und siehe da, Horu darf 10 Jahre in Mexiko bleiben. Wir treffen uns alle im Valle de Guadalupe, Wine Country L.A. Cetto, wo wir im Park übernachten dürfen. Selbstverständlich schliessen wir uns gleich der Weindegustation an; obwohl sich das für uns in Mexiko etwas exotisch anfühlt. Jean François ist auch dabei, wenngleich er keinen Alkohol trinkt. Aber seine unterhaltsame Art und Weise ist uns allen willkommen. Der Wein? Hmmm…nach unserem Geschmack etwas zu viel Gerbsäure, was nicht sein dürfte. Trotz bitterem Geschmack kaufen wir etwas ein, viel Platz haben wir ja nicht. Dann: Aufruhr auf dem Parkplatz: Jean François lässt seinen einzigen Schlüssel in seinem Fahrzeug neben seiner Take-away-Lasagne liegen und sorgt für Unterhaltung unter den nicht mehr ganz nüchternen Önologen. Es ist bereits dunkel. Mit verschiedenen Beleuchtungsspots versuchen alle Licht ins Dunkel zu bringen. Eine halbe Stunde versucht er, mit einem Draht durch das aufgespreizte Kippfenster den Schlüssel auf der gegenüberliegenden Seite zu catchen, bis dieser zu Boden fällt. Jean François ist zwar ein echter Magic Man aus Vegas, aber diesen Trick hatte er noch nicht einstudiert. In der Zwischenzeit öffnet Sam auf der Gegenseite klammheimlich, wie ein Einbrecher, mit einem Schraubenzieher das Türschloss der Fahrertür. Allesamt sind wir total überrascht, aber überglücklich darüber. Wir geniessen noch einen lustigen Abend im geräumigen IVECO von Sibylle und Hermann. Jean François erzählt uns aus seinem Leben und seinen Shows. Er ist Künstler und tritt auf der ganzen Welt auf, vor allem natürlich in Las Vegas, macht in New York, New York mit. Er ist nicht nur Maler, Entertainer, Couch und Magier, er segelt, taucht, klettert, war schon auf dem K2, filmt, schreibt und und.und. Mit viel Humor erzählt er von Treffen mit dem rauchenden Joe Cocker in seiner Garderobe, von Small Talk mit Shakira, vom Ex-Präsidenten Obama, welcher an der gleichen Strasse lebt. Von Michael Jackson, wie sie zusammen in seiner Garage den Moonwalk einstudierten. Von Auftritten im Nahen Osten, wo ihn die Schaichs mit Privatjets einfliegen liessen. Als er dann noch von seinem Auftritt in einer früheren Bennisimo-Show Entertainer of the Year, Performance and Original in der Schweiz erzählt, wie er Benni im Eiltempo malte, verloren wir langsam aber sicher den Glauben an seine Geschichtenkiste. Aber Moment mal, als wir Jean François Website (www.jeanfrancois.com) besuchen, wird plötzlich alles wahr! Unglaublich, dieser Tausendsassa. So viel Glamour, kombiniert mit Sympathie, gespickt mit Selbstironie inmitten einer Welt von Reisenden. Ausgeschlafen geht es am nächsten Tag weiter zum Einkaufen nach Ensenada. Mit Sibylle und Herman übernachten wir auf einer Klippe am Pazifik. Man könnte sagen, wo sich Seehunde und Pelikane gute Nacht sagen. Die Abende sind hier immer noch etwas zu kalt, um im Freien einen geselligen Abend zu verbringen, so landen wir wieder auf der IVECO-Eckbank. Unsere Weiterfahrt in Richtung Bahia de los Angeles führt uns über die wunderschöne und hügelige Landschaft Richtung Ostküste, wo wir zwischen stacheligen Gesellen Platz finden. Damit sind nicht etwa unsere Männer gemeint, sondern die Riesenkakteen an der Carretera Transpeninsular. Ein herrlicher Platz, mexikanischer geht nicht mehr. Dafür gibt es Spaghetti Bolognese und Fried Ries mit griechischem Salat, halt, was unsere Kühlschränke so hergeben.
Bahía de los Angeles – Guerrero Negro 19.11.2022
Weiter geht es durch die endlose Halbwüste von der Westküste zur Ostküste Baja Californias. Die Landschaft: Kakteen aller Art und Grösse mit purpurnen Wildblumen, die sich wie ein Teppich um die Überlebenskünstler scharen, im Hintergrund das karge Wüstengebirge des Hinterlands. Wir übernachten im Cactus Wonderland, der Name passt wonderbar! Und wieder: ein geselliger Abend mit den Schwyzern bei ihnen «Zu Hause». Mit dem Sonnenuntergang kühlt die Luft ordentlich ab. Am nächsten Tag erreichen wir die Ostküste in Bahía des los Angeles und finden einen wunderschönen Platz am Kieselstrand. Hier präsentiert sich wieder ein schönes Stelldichein, diesmal mit Pelikanen und Möwen, die sich die Fische streitig machen. Unser Strandspaziergang gestaltet sich sehr windig. Manchmal gibt es Balance-Acts über den gefluteten Beach; der Wind rüttelt beim Traversieren heftig an der Stabilität. Zum Glück beruhigen sich die Böen, sobald die Sonne sich hinter dem Horizont verabschiedet. Unser «Keller» leert sich langsam, wieder treffen wir uns am Tisch unserer Freunde. Am nächsten Morgen gelangen wir wieder zeitig zurück auf die MEX 1 (Carretera Punta Prieta-Guerrero Negro). Der Name ist gleichzeitig unser nächstes Ziel. Hier platzieren wir uns hinter das Hotel Malarrimo, auch hier sind die Margaritas hervorragend. Da werden wir uns für ein gemeinsames Abendessen verwöhnen lassen.
Mulegé, 23.11.2022
Weiter geht es auf der MEX 1 wieder an die Ostküste der Baja. Vor San Ignacio durchfahren wir den Military Checkpoint. Zuerst werden wir freundlich begrüsst, und befragt, woher wir kommen, wohin wir reisen, ob es uns gefällt, dann die Weisung, uns zu seinem Kollegen zu begeben. Dieser ist zwar freundlich, stellt aber impertinent fordernde Fragen, als er unser Fahrzeug inspiziert. Música? Discos? (anscheinend für seinen Eigenbedarf), Frutas (für was auch immer). Als er unsere kleine, aber potente Taschenlampe entdeckt kommt die Frage «para mi?» Das geht gar nicht! Immerhin fragt er, was wir dafür wollen. 2000 Pesos, die hatte tatsächlich CHF 100.00 gekostet. Wir stellen uns etwas doof, sagen, es sei die einzige, dann findet er die zweite Lampe, den Leatherman (für Autoreparaturen sagen wir, hahaha). Das Schweizer Taschenmesser liess sein mexikanisches Herz ebenfalls höher schlagen. Die Kontrolle war eigentlich eher umgekehrt, wir observierten ihn sehr ausgiebig, dass er ja nichts in seine Militärtaschen gleiten lässt. Wir haben wieder etwas gelernt, obschon wir das vom Militär nie und nimmer erwartet hätten. Wir finden bald keine Verstecke mehr. Endlich können wir uns wieder einmal installieren und unsere Markise ausfahren. Nach zwei Tagen Strand und trockener Markise geht die Fahrt gut erholt wieder zurück auf die MEX 1 Richtung Westküste, um dann die Baja California Sur anzupeilen. Kurz vor dem Städtchen Guerrero Negro, fahren wir erneut auf eine Strassen-Kontrolle zu. Diese stellt sich aber als eine Art Agrar-Check heraus. Wir passieren die Grenze nach Baja California Sur. Auf dieser Durchfahrt werden wir von unten mit einer Art Desinfektions-Aerosol benebelt, welche sicherlich nicht bis zum Unterboden unseres Fahrzeuges reicht. Und wenn auch nicht, wir bezahlen 20 Pesos für die «Reinigung». Ist ja auch kein Betrag, alleine schon der gute Einfall und die nette Begrüssung macht den einen Dollar wieder wett. In Moulage angekommen, verbringen wir mit unseren Freunden 3 kristallklare Strandtage im Santispac. Wir besuchen noch das Städtchen Umlage, welches wunderschön an einer von Palmen besäumten Lagune gelegen ist. Nur das WIFI im Internet Café ist wieder sehr nervenaufreibend. Die Zahlungen der Rechnungen müssen warten. So geniessen wir bei höherem Kontostand den Strand an der Playa Santispac.
Loreto 25.11.2022
Wir treffen Sibylle und Hermann wieder in Loreto auf dem Campground. Loreto ist ein nettes Dörfchen südlich von Mulegé, ebenfalls am Meer gelegen. Hier legen die meisten Reisenden einen Zwischenstopp auf der Fahrt nach La Paz ein. Das Städtchen zählt 12’000 Einwohner und liegt im Bundesstaat Baja California Sur. 1697 wurde es von Jesuiten gegründet und ist somit die älteste spanische Siedlung in ganz Kalifornien. So wurde Loreta die erste Hauptstadt Kaliforniens, bis 1777 das nördlich gelegene Monterey zur Hauptstadt ernannt wurde. Der historische Ortskern bildet zusammen mit der Missionskirche und einem Museum den Ortskern. Liebevoll restauriert und gut erhalten, laden sie zur Einkaufs- und Verweilmeile in der Stadt ein und geben einem ein authentisches Gefühl der spanischen Kolonialzeit wieder. Loreto ist die einzige Stadt im Umkreis von 300 km und besitzt einen internationalen Flughafen mit täglichen Flügen nach Los Angeles. Kakteen-Wüsten, Sandstrände und reiche Fischgründe umgeben das hübsche Städtchen. Hier lassen wir es uns drei Tage gut gehen. Zu Fuss erreichen wir jeweils die Innenstadt, trinken ein, zwei, drei Margaritas und nochmals einen an der Bar, begleitet von einer mexikanischen Rocksession im Stile der amerikanischen 70-iger und 80-iger Rockmusik. Friedliche Hunde, Einheimische und wir Gringos tummeln sich auf dem Dorfplatz, zwischendurch spielt die Kirchenglocke ihr melodisches Glockenspiel und verpasst uns nach AC/DC’s Hells Bells einen Heiligenschein auf den Margarita. Am nächsten Tag (ohne Kopfschmerzen aber intestinaler Hyperaktion) erreiche ich via Messenger Claudio, einen ‘alten’ Schulfreund aus den 70er Jahren. Zuerst wollten ich ihn in Kanada treffen, seinem ersten Auswanderungsort, er hat seinen Wohnsitz aber in den warmen Süden, nach Baja California verlegt, so, wie es alle Snowbirds aus Kanada/USA machen, deshalb hat er wohl sein Haar kurz geschoren. Wir werden also direkt nach Todos Santos fahren, da Claudio am 4.12.2022 in der Schweiz Feliz Navidad feiern will. Ich freue mich riesig auf ein Treffen mit ihm.
La Paz 27.11.2022
Wir trennen uns von Sibylle und Hermann und werden sie später sicherlich noch einmal in La Paz treffen. Die MEX 1 ist wunderschön zu fahren, über bergige Landschaften, Pässe und Kakteenwüsten, soweit das Auge reicht. Wieder werden wir angehalten, dieses Mal weder vom Militär noch einer sonstigen Kontrolle, sondern einer Spendenaktion der Ambulancia. Als Werbeträger ein Ambulanzfahrzeug, Strassensperre und vier Männer mit Sammelbüchsen. Ob das wohl echt ist? Keine Frage, natürlich spenden wir etwas. Leider ist unser angepeilter Übernachtungsplatz, ein Restaurant mit Übernachtungsmöglichkeit, nicht mehr in Betrieb. So fahren wir gleich weiter nach La Paz, damit wir bei Sonnenuntergang noch eine geeignete Übernachtung finden. Wir finden nicht nur den Übernachtungsplatz, sondern auch Sibylle und Hermann wieder. Ihr IVECO steht unübersehbar beim Eingang. Wir werden später wieder nach La Paz zurückkehren, um in der Umgebung mehr Zeit zu verbringen, spätestens, wenn wir unsere Fähre aufs Festland von Mexiko organisieren müssen. Zuerst wollen wir aber Claudio in Todos Santos besuchen.
Todos Santos 28.11.2022
Wir durchqueren wieder die Halbinsel von der Ost- an die Westküste, direkt nach Todos Santos. Hier wohnt Claudio Valentini, ein alter Schulkollege, mit dem ich die Schulbank der Sekundarschuljahre in Neuhausen drückte. Ich habe ihn vor zehn Jahren das letzte Mal in Schaffhausen getroffen. Claudio ist vor über 35 Jahren nach Kanada ausgewandert und nach vielen gastronomischen und agrikulturellen Berufs-Erlebnissen nach Mexiko weitergewandert. Er schickt uns seinen Standort inklusiv Bilddokumentation vom Eingangstor (ob wir wohl von der Höhe her reinpassen?). Unser GPS führt uns ins Zentrum von Todos Santos, gleich nebenan das berühmten Hotel California, das es so eigentlich gar nicht gibt und mit dem Song der Eagles ausser dem Mythos der Schattenseiten von Ruhm und Glitzer nichts gemeinsam hat. Geplatzte Träume, gebrochene Herzen und Abhängigkeiten, Leichen im Pool, gescheiterte Karrieren, der Wind, der durch die Palmen weht. Das sind die Kehrseiten von Ruhm, Liebe und Geld, wie sie in jedem Glamour-Hotel der Welt herumgeistern, so etwa die Interpretation des Songs. Wir sind noch nicht müde von den langen Fahrten durch die Wüste und suchen nicht den erstbesten Ort für ein paar Stunden Schlaf in einem gruseligen Hotel das von den besagten Geistern der Vergangenheit und geplatzten Träumen der Hotelgäste bevölkert ist (Hotel California). Nein, wir logieren etwas oberhalb bei Claudio und die Träume werden wahr. Das Einfahrtstor erscheint uns von der Höhe etwas knapp, aber wir streifen nur die Baumkrone, welche aus dem Atrium ragt, der Torbogen bleibt stehen und unsere Dachbox auch. Kein Problem, Leiter und Säge sind bereit. Diagonal findet unser Horu just im Atrium Platz. Obwohl das Haus genug gross wäre und Gästezimmer vorhanden sind, schlafen wir im Horu, nehmen aber Claudios Angebot für die Dusche gerne an. Wir verbringen zwei wunderschöne Tage mit Claudio, fahren die Strände ab und lassen uns von seinen Kochkünsten verwöhnen. Nicht nur das, am Abend gibt’s noch eine One-Man-Session querbeet ein von Seiteninstrumenten über Xylophone Bunga bis zu Schlaginstrumenten wie Handpan, Cajon. Wenn ihm die Texte nicht mehr einfallen, kommt der Mund als Pfeifinstrument zum Zug. Wir sprechen über seine Erlebnisse, welche sich eigentlich nicht weit vom Reisen abheben, nicht besser, nur anders (unser Credo der beiden Tage😉). Wie alle Abschiede von lieb gewonnenen Menschen, berührt uns auch dieser einmal mehr. Claudio besucht am 4 Dezember die Schweiz und kommt erst im Januar wieder zurück, dann sind wir wahrscheinlich schon auf dem Festland von Mexiko.
Cabo San Lucas 30.11.2022
Als wir mit Claudio noch einen nördlich gelegenen Strand von Todos Santos besuchen, treffen wir auf Roadfuxx, wisst ihr noch? Franzi und Kay, mit ihnen standen wir einige Tage in Telegraph Cove und gesehen haben wir sie das erste Mal auf dem Dempster HW, sie sind nirgends zu übersehen und die Autonummer «RIESE» könnte besser nicht passen. Eigentlich wollen wir sie seit Längerem wieder sehen, sind denn auch immer in Kontakt. Also wissen wir, dass die beiden in dieser Gegend herumhängen, aber dass wir mit Claudio gleich an diesen Strand fahren, ist reiner Zufall. Wir überraschen die beiden. Wir sind mit Claudio in seinem PW mit kanadischer Nummer unterwegs und haben uns gleich neben Roadfuxx im Sand festgefahren. Claudio steigt aus, klopfte bei Franzi und Kay an der Tür (hat die beiden natürlich bei der Siesta geweckt). Er hätte sich festgefahren und zwei nervenaufreibende Gringos im Auto, ob sie ihm helfen könnten. Etwas verschlafen gucken die beiden nicht schlecht aus der Nachmittagswäsche, als sie unsere versteckten Gesichter unter unseren Hutkrempen erkennen. Wir treffen sie am nächsten Tag an der Playa Migrino. Da haben wir gleich unsere erste praktische Bergungs-Prüfung im Sand. Beim Umparken gräbt sich Horu bedrohlich tief und bis zur Hinterachse in den weichen Sand. Kein Problem mit dem starken Roadfuxx im Rücken, aber wir wollen erst einmal unsere Autonomie unter Beweis stellen. Ich schaufle die beiden Hinterräder frei, befreie die Blattfedern vom aufgeschobenen Sandwall, entferne die Pflanzenranken, welche sich um die Achse wickelten. Jetzt kommen endlich unsere Anfahrhilfen zum Einsatz. Mit Untersetzung und Differentialsperre inklusive MaxTrax klappt das auf Anhieb. Ich setze gleich noch einmal die Anfahrhilfen für die nächsten Meter an, jetzt kraxelt Horu wieder auf der Sandoberfläche. Luft mussten wir gar keine ablassen. Der Sandstrand muss verhext sein. Auch Roadfuxx macht am Folgetag seine erste Experience und gräbt sich ebenfalls ein. Die beiden wählen die Option Schaufeln und Luft ablassen auf 1.5 bar. Klappt auch hervorragend, jedem das Seine. Wir fahren weiter an die Südspitze von Baja California, nach Cabo San Lucas, wo wir uns das WM-Spiel Deutschland – Costa Rica gemeinsam ansehen wollen. Selbstverständlich sind wir ausnahmsweise für Deutschland, unsere Unterstützung hat Deutschland mit dem gewonnenen Spiel von 4:2 aber auch nicht weitergebracht, da Japan über Spanien obsiegte. Morgen kommen die Schweizer zum Zug, das Spiel werden wir uns auch wieder teilen. Cabo San Lucas lebte anfangs des 20. Jahrhundert vorwiegend vom Fischfang. Heute bildet der Tourismus die Haupteinnahmequelle. Die Lage ist äusserst attraktiv und nach mehreren Seiten zum Meer gerichtet. So wurde es auch zum begehrten Feriendomizil der Superreichen aus den USA – das Mallorca der Hollywood-Stars. Luxus und ein Hauch von einfachem Leben. Partys, Sun and Guns: die Region kämpft gegen die Gewalt der Drogenkartelle. Zwischenzeitlich belegt Los Cabos regelmässig einen Spitzenplatz auf der Liste der gefährlichsten Orte der Welt. Die Bandenkriminalität ist hoch und Menschen verschwinden spurlos. Nebenan feiern Stars, Sternchen und Pauschaltouristen rauschende Partys. Verbrechersyndikate, wie das Sinaloa-Kartell, erschliessen sich zunehmend die Halbinsel. Der Grund: die strategisch gute Lage am Golf von Kalifornien verspricht neue Transportrouten für den Drogenhandel. Eine Katastrophe für die heimische Wirtschaft, die vom Tourismus lebt. Luxus und Genuss treffen auf Gewalt, Kriminalität und Armut. Ein Ort, an dem wir nicht länger bleiben wollen.
Camino Playa Este 02.12.2022
Hier finden wir einen schönen Platz und lassen uns für drei Tage an der Beach nieder, wunderschön und direkt am Meer gelegen. Der weiche Sand hier bringt wieder Potential zum Festfahren. Kay muss an seinem LKW wieder Luft ablassen. Am nächsten Morgen in der Früh wissen wir, wem das gestrandete Boot im Sand neben uns gehört. Jeff, ein Amerikaner aus Rino verbringt hier seit 40 Jahren seine Winterzeit und geht jeden Tag zum Fischen. Sein Fang heute ist gross, doch leider esse ich keinen Fisch und einen Gefrierer haben wir auch nicht. Auch er fährt sich mit seinen Toyota fest, da wir uns just auf seiner Fahrroute (seine Piste seit 40 Jahren) installiert haben. Mit schlechtem Gewissen helfen wir ihm aus dem Sand. Vorerst mit Stossen, was uns misslingt, es geht sandauf und gegen das Meer ist es abfallend. Wieder kommen unsere Sandbleche aus Kunststoff zum Einsatz und behalten die Bewertung «Testsieger». Was uns erstaunt, die ältere Dame neben ihm bleibt in Auto sitzen, wenigstens ihr Gewicht hätte sie entfernen können. Aber wahrscheinlich ist das «The Old Ladies American Way of Help». Jeff kehrt am frühen Nachmittag an den Strand zurück, um sich nochmals zu bedanken. Er lädt uns zu sich nach Hause ein, eine Art privater Campground in der Wüste mit einem grossen Küchengebäude, zwei Wohnwagen, Musik. Eine Art Überwinterungskomune. Auffallend: seine grosse Horseshoe-Bahn inmitten des Platzes, gesäumt von Zuschauertischen und -stühlen. Jeden Sonntag findet hier die Horseshoe-Competition statt, mit Musik, Essen und Tequila-Party für die ganze Nachbarschaft. Er lädt uns dazu ein. Aber zuerst heisst es noch, Übung macht den Meister. Wir haben noch keine Ahnung von diesem Spiel, und Jeff trainiert uns den ganzen Nachmittag, aber leider steht das Training unter direktem Sonnen- und warmem Tequila-Einfluss. Jeff möchte mit Sam das «Blue-Eyes-Team» gründen, das wäre ja schon mal erfolgversprechend, aber so, wie wir den mittlerweile betrunkenen Jeff verstanden haben, werden die Teams ausgelost. Jeff hat aber immer noch ein gezieltes Auge, das muss man sagen! Wir werden sehen, auf alle Fälle kommen Franzi und Kay mit, wer nichts wagt, gewinnt auch nichts. Wir werden uns ein Einblick hinter die amerikanische Baja-Kulissen erhaschen.
Das Team Germany-Switzerland hat haushoch verloren, aber eine gute Show abgeliefert. Pech war einfach, dass Kay und Sam das gleiche Los gezogen haben, somit also kein «Blue-Eyes-Team», sondern ein unterhaltsames «Bloody Beginners-Team». Wir verbringen einen kurzweiligen Nachmittag. Viele Nachbarn von Jeff treffen ein, aber auch Besucher, die wie wir, das erste Mal da sind, aber den Mut zum Spiel mit einer garantierten Niederlage gegen die passionierten (oder pensionierten) Profis nicht aufbringen. Wir könnten uns ans Horseshoe-Game gewöhnen und überlegen uns, vier Shoes anzuschaffen. Die Dinger sind aber überdimensional gross und entsprechen eher der Schuhnummer eines ausgewachsenen Elefanten. Wir verbringen einen wunderschönen Nachmittag mit einer Flasche Tequila und dürfen uns anschliessend mit grosser Gaumenfreude am Buffet bedienen; heute ist italienisch angesagt. Zu unserem grossen Erstaunen ist das italienische Essen durch unsere amerikanischen Freunde sehr lecker zubereitet. Aber auch hier gelten die amerikanischen Manieren: nach dem Essen wir sofort zusammengepackt, kein Kaffee, keine Geplauder, Abbruch-Aufbruch. Jeff lädt uns noch für kommende Woche zum Fischen ein, wir wissen aber noch nicht, wo wir uns dann aufhalten werden, vielleicht klappt es doch noch. Auf alle Fälle ziehen wir im Dunkeln mit einer leeren Flasche Tequila nach Hause an unseren Strand, natürlich zu Fuss. Und wieder können wir sagen, die Amerikaner sind total gastfreundlich, offen und zuvorkommend und freuen sich über den frischen Wind aus Europa in ihrem Winterquartier.
La Paz 09.12.2022
Wir fahren der Küste entlang auf der Naturstrasse weiter in Richtung La Paz. Nach jeder Kurve eröffnet sich eine weitere, wunderschöne Beach, doch leider gibt es nirgends Handy-Signal. Wir sind immer noch auf der Suche nach einem geeigneten Weihnachtsplatz, natürlich ohne Weihnachtsbaum und Klimbim, dafür ganz entspannt und ungewohnt unter Palmen am Meer. Wir verlieren Roadfuxx unterwegs und warten mal fünf Minuten, zehn Minuten, laufen etwas zurück, um den Riesen evt. auf dem Strassenverlauf in den Hügeln zu orten, leider ohne Erfolg. Ohne Handyempfang bleibt uns nichts anderes übrig, als zu erahnen, was wohl geschehen ist. Wir fahren ca. 15 km zurück, nämlich dahin, wo wir unsere Freunde das letzte Mal wissentlich gesehen haben. Und, da stehen sie. Wie vermutet, am Strassenrand mit ihrer ersten Panne: Bremsleitung gebrochen. Es gilt, eine Öse wieder neu auf das Kupferrohr zu klemmen. Ohne geeignetes Werkzeug eine kreative Herausforderung. Der gelernte Mechaniker und der gelernte Ingenieur bringen das provisorisch auf die Reihe. Bunsenbrenner, Schleifbohrmaschine, Hammer und Nuss, alles kommt in der Not zum Einsatz, bis die Öse auf dem Kupferrohr dem Pneumatikdruck bis zur nächsten Garage stand hält. In La Paz fahren wir wieder denselben Campground an, wo wir duschen, waschen und aushängen können. Mein Geburtstag steht an, und ich werde von Franzi und Kay bereits morgens um 08.00 Uhr mit einem selbst gebackenen Kuchen geweckt. Eine Riesen-Überraschung, diese geheime Backaktion morgens um 07.00 Uhr in der Bratpfanne. Leider sind die Äpfel verbraten, der Kuchen schmeckte aber auch apfellos tadellos! Wir verbringen den Nachmittag am Malecon. Unser kleiner Nachos-Apéro para quatro war leider viel zu gross, und so kommt es, dass wir schon ziemlich abgefüllt zum Abendessen gehen. Einen Tag nach meinem Geburtstag wird schon wieder kräftig gefrühstückt. Heute haben wir einen Termin, um mit den Walhaien an der Küste von La Paz zu schwimmen. Wir haben günstige Bedingungen: wenig Wind, Sonnenschein und keinen hohen Wellengang. Wir bekommen als Surprise noch einen kleinen Ausflug zur Insel Espiritu Santos, welche La Paz vorgelagert ist. Da es anscheinend noch zwei Stunden zu früh für die Wale sei (?). Es gilt aber eher, ein Tauchboot vor Ort mit neuen Sauerstoffflaschen zu versorgen, egal, wir haben ja Zeit. So viel Zeit, dass wir unterwegs noch ein mit Männern, Frauen und Kindern gefährlich überfülltes Motorboot an den nächsten Strand abzuschleppen können. Jetzt gilt es aber ernst, wir haben den Standort der Walhaie erreicht, welcher zuerst von durchziehenden Delfinen angekündigt wird. Die Walhaie halten sich sehr nahe am Strand auf, wo sie sich im warmen und geschützten Gewässer vollkommen der Nahrungsaufnahme widmen. Der Walhai ist keine Mischung aus Wal und Hai, sondern vielmehr ein Hai von der Grösse eines Wals. Walhaie sind zudem die grössten Fische der Welt. Aussergewöhnlich ist auch ihre Fortpflanzung. Die Jungen wachsen in Eiern heran, schlüpfen aber noch im Mutterleib. Ein einziges Weibchen kann mehr als 300 Embryonen gleichzeig im Bauch tragen und den Zeitpunkt der Geburt steuern, je nach Nahrungsangebot und Feindvorkommen für die Neugeborenen. Er hält sich gerne in (sub)tropischen Gewässern mit einer Wassertemperatur von 21-25 Grad auf (halt wie wir). Diese Tierart gilt als gefährdet – leider auch schon. Das Tier kann bis 20 Meter lang und 34 Tonnen schwer werden. Sein Maul bis 1.5 Meter breit. Wir würden also locker hineinpassen. Wüsste ich nicht, dass diese friedlichen Geschöpfe Vegetarier wie ich sind, würde ich mich nicht ins Wasser wagen und mit ihnen schwimme gehen. Sie nehmen ihren übergrossen Mund also nur voll mit Wasser, um 6000 Liter pro Stunde zu filtern. Das Filtrat: Plankton und Krill. Uns offenbart sich ein tierisches Spektakel unter Wasser. Wir sind umringt von sicher 8 Walhaien, begleitet von Heringschwärmen. Die Delfine nehmen wir gar nicht mehr war, da unser Fokus vollkommen auf den Walhainen liegt. Es gilt immer, an deren Seitenline mitzuschwimmen, nicht vor, nicht hinter dem Hai. Stecken wir mal die Köpfe über den Wasserspiegel heraus, um uns zu orientieren, geht’s auch hier tierisch ab. Etliche Pelikane setzen sich neben uns im Wasser ab. Sie erfreuen sich wohl über den Heringschmaus. Unser Abenteuer ist unbeschreiblich, man muss es selber erlebt haben. Der Mix aus Adrenalin vermischt mit Serotonin im Blut ist genial und könnte süchtig machen.
Tecolote 14.12.2022
Wir fahren an den weitläufigen Strand von Tecolote und platzieren uns zusammen mit Roadfuxx und Heinz direkt am Meer. Heinz ist unser Mitbegleiter seit Caminada Playa Este. Der Hamburger ist alleine in seinem PW unterwegs und fühlt sich relativ sicher in Gesellschaft von zwei erfahrenen und ausgerüsteten Bergungshilfen, hat er doch nur 2×2-Antrieb. Am Ende des Strandes fällt uns sofort Jean-Francois’ (der Entertainer aus Los Angeles) Schulbus auf. Blau, wie das Meer, Portraits von Dalí und Lisa zwischen Haien und Rochen, Magic pur und unverkennbar! Die wilden Geschichten vom Tecolote-Strand stimmen also: Auch in Jean-Francois’ Zuhause wurde eingebrochen. Ein halbes Jahr stand der Bus hier, ohne irgendwelche Zwischenfälle. Kaum ist der Bus mit digitalem Equipment bezogen, wirkt er auch dementsprechend anziehend. Alles weg! Sogar seine Speicherplatte. Sein Handy kann er in La Paz orten. Wir versuchen, Jean-Francois vom geplanten Racheakt (ob echt oder nicht, das wissen wir nicht) abzuhalten, nachdem er uns sein Vergeltungssortiment zeigt. Denn, wir wissen ja, er war auch in der Fremdenlegion. Wir gehen etwas wandern und Roadfuxx übernimmt die Wachschicht, dafür gibt’s dann wieder einen Margarita! Zu Fuss erkunden wir verlassene Strände. Wir sehen Spuren von frisch geschlüpften Schildkröten und geniessen die Einsamkeit. Der belebte Teil vom Tecolote-Strand bietet sich vorzüglich für ein Weihnachtsfest unter uns Overlandern an. Gut erreichbar, fester Sandboden, genügend Platz für alle, die dabei sein wollen. Leider vertreibt uns ein bissiger Wind nach zweit Tagen. Die Temperaturen fühlen sich sofort kühl und unangenehm an, was sich auch auf unsere guten Launen auswirkt. Wir beschliessen, uns etwas in die windgeschützten Täler zu verkriechen.
Rancho Ecologico Sol de Mayo 16.12.2022
Bevor wir uns in die Oase begeben, besuchen wir noch das Dorf El Triunfo.1862 wurden dort Silber und Gold entdeckt, was Bergleute aus Mexiko und den USA dazu veranlasste, sich in El Triunfo zum Goldrausch nieder zu lassen. Als einst die grösste Stadt in Baja California Sir, war El Triunfo die Heimat von mehr als 10.000 Bergleuten. Als die Minen 1926 geschlossen wurden, verliessen die meisten Bewohner die Stadt, um anderswo Arbeit zu finden. Die Volkszählung 2010 ergab eine Bevölkerung von 327 Einwohnern. El Triumph ist eine der am besten erhaltenen Bergbaugemeinden des 19. und 20. Jahrhunderts in Nordamerika und bleibt ein wichtiger Ort für archäologische Forschungen. Ein bemerkenswertes Merkmal der Stadt ist der 47 Meter hohe Schornstein, der 1890 für die El Progreso Mining Company gebaut wurde. Es wurde angenommen, dass der Schornstein einst von Gustave Eiffel entworfen wurde, obwohl keine schlüssigen Beweise für seine Beteiligung an dem Projekt gefunden wurden. Wir begeben uns zu fünft in den stillgelegten Stollen, um mehr über den Silber- und Goldabbau aus vergangenen Zeiten zu erfahren. Wir legen unsere Helme wieder ab und weiter geht es nach Santiago, wo die geteerte Strasse endet und in eine Sandpiste übergeht, die uns weiter zur Rancho Ecologico Sol de Mayo führen soll, einer Biosphäre im Naturschutzpark. Wir steigen hinunter zu den Wasserfällen und erfrischen uns im Pool. Was für eine willkommene Abwechslung zum gewohnten Strandleben. Das Wasser ist aber wirklich sehr frisch, dafür klar uns sauber. Die Sicht ist so gut, dass wir auch Wasserschlangen sichten können! Hoppla! Dennoch, eine Perle mitten in der Wüstenlandschaft. Wir fühlen uns, wie im Regenwald. Sand und Süsswasser vereinen sich unter unseren Füssen. Nach einem herrlichen Sonnentag (ohne Wind), fahren wir nach Santiago zurück und übernachten neben einem Fussballplatz. Morgen soll es weiter gehen nach Rancho Santa Rita, einer wunderschönen Oase mit weiteren Pools, einige von ihnen sollen warm sein. Wir sind gespannt. Zuvor brauchen wir aber noch 4G, um uns zu unserem allerliebsten Familientreff im Emmental per Videocall zuzuschalten. Diese mal leider aus der weiten Ferne.
Dionisio Valley 18.12.2022
Wir verkriechen uns weiter ins Hinterland des Dionisio Valley. Über lange Schotterpisten mit einigen Waschbretteinlagen in den unterschiedlichsten Wellenlängen geht es zuerst ins flache Hinterland, bis sich die Strasse kurvig über die Hügeln windet. Nur Rinder, Hühner, Hunde und Esel auf der Strasse verraten uns die Anwesenheit von Ranchen, die sich irgendwo im Dickicht hinter kleinwüchsigen Bäumen und Kakteen verbergen. Auch hier überrascht uns die Einsamkeit weit weg vom Baja-Tourismus, wer kann sich denn auch hierher verirren? Wir finden einen wunderschönen ‘Campingplatz’ im Naturreservat. Taj, da ist immerhin ein Abfalleimer und ein Feuerring. Auf der Strasse wandern wir rund 4 km weiter, bis wir den Zugang durch eine Ranch zu weiteren Wasserfällen finden. Schneeweisse und vom Wasser rundgeschliffene Rockformationen aus Granit bilden eine erneute Abwechslung zur Küstenregion aus Lavagestein, das sich vor Millionen von Jahren ins Meer begab. Hier klettern und kraxeln wir also herum, zwischen Palmen und Steinen, bis auch der zweite Turnschuh im Wasser versenkt wird. Egal, der Weg ins Paradies hat sich gelohnt. Gegen Abend kehren wir zum Übernachtungsplatz zurück und nehmen noch ein erfrischendes (Säuberungs)-Bad. Wir verbringen noch einen gemütlichen Abend am Lagerfeuer mit Franzi und Kay, allesamt unter dem Sternenhimmel, begleitet von der Geräuschkulisse des Wasserfalls, dem Gemuhe der Kühe und dem Geschrei der Esel – erst in den Morgenstunden gesellt sich noch der Hahn dazu.
Todos Santos 22.12.2022
Die Weihnachtsvorbereitungen sind in vollem Gange. Eigentlich geht es lediglich darum, einen geeigneten Strandplatz zu finden. Roadfuxx und wir entschieden uns infolge Wind- und Temperaturverhältnissen für die Rückkehr nach Todos Santos, welches im westlichen Baja California Sur gelegen ist. Die einzige Herausforderung liegt im Lagerfeuer, gibt es hier doch nur Kakteen. In diesem Wissen haben wir aber Roadfuxx bereits schon im Hinterland mit herumliegendem Holz beladen, sie haben ja schliesslich einen Last-Wagen. Der Wind empfängt uns hier wirklich sanfter und die Tagestemperaturen fühlen sich sommerlich warm-heiss an. In der Nacht fallen die Temperaturen aber wüstenklimatisch auf 14 Grad ab. Da müssen wir ordentlich einheizen, mit Feuer und Tequila. Hier treffen wir auch wieder unsere Freunde Sibylle und Hermann, Bastian und zwei Schweizer Jungpärchen. Natürlich ist auch Heinz dabei, welcher inzwischen seinen Tauchkurs in La Paz absolviert hat und schon die schönsten Unterwasser-Videoaufnahmen macht. Dieses Mal wird Weihnachten am Lagerfeuer gefeuert, statt Fondue Chinoise oder Filet Wellington gibt es Grillfleisch und Grillgemüse, mexikanische Saucen, Knoblauchbrot, diverse Salate. Es wird schnell dunkel und unser Weihnachtsfeuer gibt unter dem Sternenhimmel sein Bestes. Für einmal lodert es und funkelt nicht am Heiligen Abend. Zum Nachtisch gibt es Kuchen und Tequila (der Kuchen ist etwas trocken ausgefallen). Gegen Mitternacht verziehen wir uns alle in die Wärme. Am Weihnachtstag wandern wir am Strand entlang zur Schildkrötenschutz-Station. Jeden Tag werden an die 100 frischgeschlüpfte Schildkröten in ihr Element gelassen. Volontiers sammeln hier Tag für Tag Schildkröteneier, welche dann in der Station, geschützt vor tiefen Temperaturen, Coyoten (und Menschen), ihren Schlupftermin sicher erleben. Dennoch ist die Erfolgschance, das Erwachsenenalter zu erreichen, immer noch sehr gering. Eines von diesen 100 Tieren wird die vielen Gefahren von Vögeln am Land, Wasservögeln und Raubfischen im Wasser überleben. Und trotzdem ist immer noch der Mensch die grösste Gefahr für die erstaunlichen Geschöpfe, welche bereits schon seit über 220 Mio. Jahre unsere Erde besiedelt. Angezogen vom Geschmack des Meeres, der Gischt, der Feuchtigkeit, dem Geräusches der Brandung und vielem mehr, worauf unsere Sinne nicht ausgebildet sind, oder ganz fehlen, finden sie den Weg ins Wasser. Sind die Weibchen mit ca. 12 Jahren geschlechtsreif und ihre Eier befruchtet, finden sie ihren Weg nach Hunderten von zurückgelegten Wasserkilometern zurück an ihre Geburtsstätte, genau an diesen Abschnitt von ca. 1000 Metern zurück, ein kleiner Abschnitt eines kilometerlangen Strandes. Die Weibchen können bis vier Mal pro Jahr Ihre Eier hier ablegen. Wir sind gerührt von diesen Babyschildkröten und müssen uns in unserer Unterstützung zum Erreichen des Meeres zurückhalten. So manche steckt kopfüber im nassen Sand, wenn ihr die Brandung rücksichtslos entgegenströmt. Wir wünschen ihnen viel Glück in ihrem neuen Element. Im Dunkeln kehren wir zurück in unser Lager, nur der Sternenhimmel, der helle Sand und die weissgekrönte Brandung weisen uns den Weg zurück. Nicht nur Schildkröten, nein auch gigantische Säugetiere besiedeln die seichten Lagunen der Baja California Sur.Die Baja California gehört zu den bedeutendsten Whale-Watching-Gebieten der Welt. So nutzen zahlreiche Arten nutzen die subtropischen Gewässer der mexikanischen Halbinsel als Winterquartier – vor allem Grauwale, Buckelwale, Finnwale und Blauwale sind hier zwischen Dezember und März regelmässig zu sehen. Viele verschiedene Delfin-Arten leben zudem das ganze Jahr über hier. Der Golf ist Start- und Zielort der langen Wanderung der Grauwale: Jedes Jahr ziehen sie zwischen dem Golf von Kalifornien und der Küste von Alaska hin und her, diese Wanderung gehört zu den längsten maritimen Wanderungen der Welt. In den seichten Lagunen Mexikos bringen sie zwischen Dezember und März ihre Jungen zur Welt, ab April ziehen sie gemeinsam mit ihrem Nachwuchs nach Norden, um sich eine dicke Fettschicht anzufressen. Wir verbringen zahlreiche Stunden am Meer und können es kaum fassen, wie sich die tonnenschweren Geschöpfe in allen Richtungen aus dem Wasser hieven. Auch ihre Finnen schlagen heftig auf die Wasseoberfläche, was wir deutlich bis an den Strand hören können. Überwältigt lassen wir zig Wale vor unserer Aussicht vorbeiziehen. Wir essen noch die Weihnachtsresten auf. Der frische Kuchen mit Limetten und Tequila-Guss schmeckt uns allen, passend zu Mexiko. Am 26.12. haben wir unsere Fähre aufs Festland nach Topolobampo zusammen mit Roadfuxx reserviert, und hoffen, dass wir unseren Platz auf dem Überdeck erhalten, schliesslich möchten wir mit einigermassen frische Luft versorgt werden. Wir schlafen in unseren Fahrzeugen, sofern wir Schlaf finden – die Überfahrt dauert ca. acht Stunden.
Fazit:
Baja California besticht als Halbinsel durch sein sehr markantes Landschaftsbild, das vorwiegend von Wüste, Kakteen und wunderschönen einsamen Stränden geprägt ist. Die Halbinsel ist extrem dünn besiedelt. Nur die Hauptstadt des Bundestaates, Mexicali, und die grösste und bekannteste Stadt, Tijuana, sind grössere Ballungsräume und gleichzeitig die wichtigsten Grenzübergänge in die USA. Der mexikanische Südzipfel von Kalifornien ist weder richtig Mexiko, noch richtig USA – und damit, egal aus welcher Richtung man kommt, eine interessante Abwechslung. Vor allem die schönen Sandstrände, welche grösstenteils nur mit 4×4 erreichbar sind und die vielen Wale vor den Küsten der Baja, haben es uns angetan.