Cartagena, 27.05.2023
Cartagena, wir bleiben etwas länger! Zum einen warten wir, Horu aus dem Container am Hafen zu befreien, der Termin soll morgen sein, eine Person erlaubt, lange Hosen, langärmliges Shirt, geschlossene Schuhe-gelungenes Outfit bei 38 Grad.
Zum anderen beginnen wir am Mittwoch unsere ‚Clase de Español‘ -finalmente! Cartagena nos gusta mucho.
Castillo San Felipe
Cartagena de Indias. Der natürliche Weg nach Cartagena führt übers Meer. Ihrer günstigen Lage verdankt die Stadt seinen Reichtum. Die Spanier fanden als erste Europäer zu Anfang des 16. Jhd. hierher. Beste Voraussetzungen brachte der natürliche Hafen am Ende einer Bucht, zum Meer hin abgeschottet durch vorgelagerte Inseln, vom Landesinneren getrennt durch Berge und Hügel. Schon 1508 kamen die Spanier hierher, naturgemäss hatten die damals hier noch lebenden Indigenen etwas dagegen. Zu schwach, gaben die Spanier fürs erste ihr Vorhaben auf. 1533 aber kamen sie in einer kleinen Flotte von drei Schiffen und 150 Mann Besatzung an diesen Ort zurück, nahmen das Land in Besitz und gründeten auf einer von Indigenen mittlerweile verlassenen Insel Cartagena. Die Stadt erlebte schon bald einen glänzenden Aufschwung. Fast der gesamte spanische Handel mit den neu gewonnenen Kolonien wurde über Cartagena abgewickelt. Cartagena wurde zum Umschlagplatz aller Art, was immer in Westindien erbeutet wurde, Gold und Rohstoffe nahmen Ihren Weg über diese Stadt. Im Gegenzug lief alles, was Spanien ihren Kolonien lieferte, über Cartagena. Cartagena wurde eine reiche Stadt. Wo aber Reichtum ist, ist Neid und Gier nicht weit. Der natürliche Weg führt übers Meer, und das Meer steht jedem offen, der ein Schiff hat, und Schiffe hatten auch die Feinde Spaniens und die Piraten. Zwei Festungen sicherten die schmale Durchfahrt nach Cartagena. Das Fort San Fernando mag für die damalige Zeit komfortabel gewesen sein, heute erscheint es karg und spartanisch, dabei gab es doch alles, was ein Soldat zum Leben brauchte: Kanonen, Munition, eine Kapelle fürs Gebet und eine schon fast modern anmutende Toilettenanlage.
Ein Wasserloch in der Mitte des Hofes erleichtert den Dienst der Soldaten. In ihm lässt sich genau der Stand der Gezeiten ablesen. Ein kluger Krieger kann bequem, wenn wenig Wasser ist, im Schatten liegen und sich pflegen, denn, dann ist Ebbe. Bei Ebbe ist die Durchfahrt unpassierbar.
Bedroht war die Stadt immer schon, seit es sie gab. Kaum war sie gegründet, wurde sie auch schon ein erstes Mal von einem französischen Stab überfallen. Lang und voll bekannter Namen ist die Liste, von denen, die danach folgten, darunter Sir Francis Drake, der 1589 nach Cartagena kam. Und jeder stahl und raubte, was er konnte. Da durfte man noch dankbar sein, wenn es beim Plündern blieb und nicht die ganze Stadt in Schutt und Asche fiel. Bevor man die Stadt durch Festungen schützte, versuchte man es auf konventionelle Weise zu sichern und zu festigen. Eine gewaltige, dicke Mauer, zehn Meter hoch und bis zu 25 Meter breit wurde um die ganze Stadt herum gebaut mit Wachtürmen und Schiessscharten. Kanonen bestimmen das Stadtbild ebenso, wie die heiter verspielten Plätze und Häuser mit ihren Balkonen.
Teuer zu stehen, kam die Spanier ihr fortgesetzter Versuch, die Stadt immer sicherer zu machen, so teuer, dass der spanische König sich bitter über die Kosten beklagte, aber gelohnt wird es sich schon haben, sonst hätte man kaum so viel investiert. Und diese immer wieder von Plünderern heimgesuchte Stadt wäre diesen nicht schon nach kurzer Zeit erneut als lohnenswertes Ziel erschienen. Wehrhaft, wie die Stadt, erscheinen auch die Kirchen hier. Streng und abweisend sind sie, Festungen eher, als Kirchen. Wo andere mit Gold und Edelsteinen prahlen, prunken sie mit ihrer Schmucklosigkeit. Die Kirche des Klosters, wo der Heilige Pedro Claver lebte, ist dafür ein gutes Beispiel. Ein Beispiel für das Gute, ist das Leben Pedro Claver’s. Der grösste Teil des Reichtums Cartagenas, kam aus dem Sklavenhandel, für den die Stadt so gut wie ein Monopol besass. Sklaven galten nicht als Menschen; man achtete sie weniger als die Tiere. Interessant an ihnen war ihre Arbeitskraft, nichts sonst. Auf schwimmenden Särgen, eingepfercht auf engstem Raum, schafften sie es übers Meer. Dass ein Teil der Ladung dabei auf der Strecke blieb und elendiglich krepierte, was machte dies schon, Nachschub gab es genug. An die 1000 Sklaven wurden jeden Monat verkauft. Der einzige und erste, der in den Sklaven mehr sah, als nur handelbare Ware, die man mit einem Brandzeichen zum Eigentum abstempelte, wie Vieh, war Pedro Claver. Von seinem Kloster ging der Jesuiten-Pater in wenigen Schritten zum Hafen, wann immer ein Schiff mit Sklaven einlief, nahm sich der Kranken und Geschwächten an, versorgte sie mit Medizin, verteilte Nahrungsmittel, Trost und Kleider. Sklave der Sklaven, wurde er dafür genannt.
Das gewaltigste Monument des Selbstbehauptungswillens Cartagenas, ist die Festung San Felipe. Ein ganzer Hügel wurde hier zu Verteidigungszwecken überbaut. 1741 hatte der englische Admiral Edmond Vernon mit seiner Streitmacht Cartagena eingenommen. Die ganze Stadt war schon in seinen Händen, bis auf die Festung San Felipe. Die Gedenkmünzen, die Vernons’s Sieg und Englands Triumph über Spanien verkünden sollten, waren schon geprägt. Da machte ein Mann den Engländern ein Strich durch die Rechnung, Blas de Lezo. Mit der Festung in seinem Rücken kämpfte er im wahrsten Sinne ohne Rücksicht auf Verluste. Er verlor ein Auge, einen Arm, ein Bein. Er kämpfte bis zur Erschöpfung und letztlich bis zum Tod. Sein Beispiel gab den Mitstreitern die Kraft, die Engländer zurück zu schlagen und Cartagena zu retten. Von da an galten Cartagena und San Felipe als uneinnehmbar. Das alles aber, ist Geschichte, vergessen und vorbei. Die unterirdischen Gänge San Felipes, die einmal überlebenswichtig waren, sind heute nur noch eine Touristenattraktion. Wenn dann die Sonne sinkt, wenn Dämmerung sich auf die Mauern legt, verliert die Festung alles Martialische. Dann scheint es so, als überziehe sie ein sanfter Hauch mit wehmutsvoller Patina.
Sprachschule
Vier Tage später: Es hat doch etwas länger gedauert, bis wir unsere Fahrzeuge vom Hafen und Zoll auslösen konnten. Emails kamen nicht an, Emails konnten nicht weitergeleitet werden, Beamte verarbeiteten alles, dann ging wieder gar nichts. Aber, das haben wir gewusst.
In der ECOS Spanischschule machen zwischenzeitlich wir gute Fortschritte, Sam mehr als ich. Ich bewege mich einfach lieber in der Gegenwart, als in der Zukunft oder der Vergangenheit. Zwei pausenlose Stunden im Frontalunterricht sind schon anstrengend. Es gibt kein Verstecken hinter seinem Mitschüler, oder ein bisschen Durchmogeln, wie im Sprachapp. Nein, hart aber herzlich durch die Frische der jungen Profesores. Mein gestriger Profesor war gerade mal 20 Jahre alt. Auflockerung gibt es dann im Tanzkurs, Kochkurs und im interaktiven Spiel ‘Montags-Maler’, welches jeweils am Freitag stattfindet. Es gibt viel zu lachen, vor allem, als Sam vor der schwierigen Aufgabe steht, ein Telefon zu malen. Ein Telefon anno 1970, dessen Ausführung keiner mehr kennt, auch wenn Sam virtuoser gemalt hätte. Die Sprachschule können wir übrigens allen Columbien Bereisenden wärmstens empfehlen. Sogar Urlaubsschüler aus Europa fanden sich hier statt – nicht als Urlauber, sondern als Schüler ein. ECOS-Sprachschule
Zurück in unserer Unterkunft im Stadtteil Manga von Cartagena, werden wir – wie immer –
von Elias, unserem Host freundlich empfangen. Wobei ich für seine Art von ‘freundlich’ noch kein treffendes Adjektiv in einem Wort gefunden habe. Seine Freundlichkeit dringt uns etwas zu sehr in unsere Privatsphäre ein. Wobei wir ja seit einem Jahr schon gewohnt sind, unsere Geheimnisse mit der Aussenwelt zu teilen. Also, sensibel sind wir bestimmt nicht. Sobald sich unsere Zimmertür öffnet, öffnet sich auch die seine. Hola, buenas dias! Hola, buenas noches! Dies 24 Stunden rund um die Uhr. Er hört (wahrscheinlich mit einem Stethoskop an seiner Tür), wie vielmal wir das Schloss des Aussentors, der Haustür und unserer Zimmertür (drei Schlüssel!) abschliessen und korrigiert uns sofort, wenn wir eine Umdrehung zu viel oder zu wenig gedreht haben. Jedes Mal, wenn wir mit dem Handy in der Hand ein Uber bestellen, warnt er uns, dass wir das Handy in der Tasche verstecken sollen, natürlich überwacht er uns, bis wir ins Uber steigen. Das liest sich jetzt sehr zuvorkommend an. Aber wenn er uns vorschlägt, doch lieber im Haus, als auf der warmen Terrasse zu essen und nach unserer dritten Verneinung, mir einfach meinen Teller unter der Gabel wegzieht, das geht mir dann doch zu weit. Er schleicht mir auch beim Gang in die Küche nach und kontrolliert mich beim Abwaschen. Ich habe ein Glas in die falsche Ecke des Schranks gestellt (obschon, in der Küche herrscht ein Riesenpuff!). Und, wenn ihr jetzt glaubt, Elias mag einfach die Karin, dann liegt ihr falsch. Er steht viel eher auf Männer. Dann muss ich ihn auch noch im Supermarkt antreffen. Er bittet mich zu sich, da ich in der falschen Warteschlange stünde. Wieder spricht er in fliessendem bis überfliessendem Spanisch, aus welchem ich kein einziges Wort isolieren kann, ohne Rücksicht auf Verständigungsverluste. Ich versteht schlichtweg kein Wort. Ich glaube, wir verstehen uns einfach nicht. Die Unterkunft an und für sich ist aber grandios für uns. Zehn Minuten zur Sprachschule, 20 Minuten ins Stadtzentrum, und Horu sicher hinter Gitter, was wollen wir mehr. Übrigens, während ich hier schreibe, kreist er mit seinem Wascheimer und Mopp um mich herum. Dies schon seit einer gefühlten Stunde. Mir wird schon ganz schlecht vom Geruch des Putzmittels. Am Folgetag wirkt seine Überfreundlichkeit wieder eher unanständig. Räumt er doch einfach das Geschirr vor unserer Nase weg, obwohl wir noch am Kaffee trinken sind. Jetzt haben wir sturmfrei, juhuiiiihhhh! Er ist für eine Stunde auswärts, wir dürfen aber niemandem die Tür(en) öffnen!
Wir verziehen uns gerne ins Zentrum Cartagenas welches mit seiner historisch ummauerten Altstadt eine der schönsten Kolonialstädte Südamerikas und von grosser historischer Bedeutung ist. Sprechen wir von Cartagena, meinen wir nicht das neue Zentrum mit seinen hässlichen Wolkenkratzern, nein, wir sprechen vom «Centro Histórico», das hinter einer 13 km langen Stadtmauer (Las Murallas) liegt. Makellos restaurierte Kirchen und Klöster, Paläste und Herrenhäuser mit Balkonen und traumhaften Innenhöfen, dazu sehr viele gute Restaurants und Cafés. Alles geschmückt und überladen mit bunten Blumen. Nicht ganz in allen Ecken wurde renoviert. Einige Winkel erinnern ein bisschen an die zerfallenen Häuser in Panama oder Cuba. Die Menschenmassen tummeln sich auf den Plazas, um Tanzgruppen und Musiker zu bestaunen, Street Food an zahlreich aufgebauten Ständen reihen sich entlang der Gassen.
Getsemani
Das Zentrum des hippen Viertels Getsemani bildet der Plaza de la Trinidad, der ein entspanntes Publikum anzieht. Man trifft sich hier, um ein Bier zu trinken und den Strassenmusikern zuzuhören. An den nahen Imbissständen kann man sich gegrillte Arepas holen. In den mit farbenfrohen Wandmalereien verzierten Strassen rings um den Platz befinden sich belebte Pizzerien und zwanglose Bistros mit klassischer kolumbianischer Küche. In Brauereikneipen, Cocktailbars und der Salsabar Café Havana wird bis in die frühen Morgenstunden gefeiert. 2013 wurde ein Projekt in diesem Viertel ins Leben gerufen, um begabten, aber aussichtslosen Jugendlichen (meisten Schwarze) von lukrativen Strassen-Drogenhandel abzuziehen und eine künstlerische Perspektive zu eröffnen. Das Projekt wurde von der Stadt Cartagena genehmigt. Sämtliche Strassenbilder stammen aus diesem Jahr. Eine zweite Serie entstand in späteren Jahren. Die jeweiligen Strassenbilder sind nur mit dem Pseudonym des jeweiligen Künstlers unterschrieben.
Das Flair ist unbeschreiblich und wir geniessen die Stadt mit jedem Schritt und jeder Minute. Cartagena ist bunt und fröhlich! Manchmal entdecken wir ein Patio – ein Innenhof – in welchem sich ein Restaurant befindet, wo wir den kühlenden Schatten in der heissen Stadt geniessen. Hier sind wir nicht nur vor der Sonne geschützt, sondern auch von den aufdringlichen Strassenverkäufern, welche sich zu Hunderten in der Stadt aufhalten, um ihr Geld zu verdienen, wofür wir auch Verständnis aufbringen. Wenn wir stehen bleiben, attackieren sie uns wie die Mücken in Alaska. Selbst beim langsamen Flanieren hören wir – obschon wir ihnen keine Beachtung mehr schenken – ‘Hola’, ‘Madame’, ‘Señora’, ‘Amiga’, ‘Patrón’, ‘Caballero’, ‘A la Orden’….., wenn ich aber ‘Mother’ höre, dann werde ich innerlich echt ungehalten!
Der Priester und das Werk des Teufels…
Nur 1km abseits unserer geplanten Reiseroute liegt der El Totumo Vulkan. Hier eröffnet sich ein Blick auf das seltsame Gebilde in der Landschaft. Wir haben Glück, keine Touri-Busse aus Cartagena und praktisch keine anderen Besucher; es ist 13.30 Uhr, und wir sind hier fast die einzigen Schweine. Der Kegel vor uns, ähnelt einem riesigen Termitenhügel. Eine bunte Holztreppe führt hinauf. Schauen wir mal, was uns am oberen Ende erwartet.
Der ‚Vulkan’ funktioniert eigentlich nur, wenn es hin und wieder regnet. Dann wird der Schlamm im Krater des El Totumo durch Methangase nach oben transportiert. Um nicht auf dem Trockenen zu sitzen, wird längst mit einer künstlichen Wasserzufuhr nachgeholfen. Dadurch hat sich bisher ein Kegel von 15 Metern Höhe gebildet.
El Totumo ist so zwar der kleinste Vulkan des Landes. Trotzdem aber, existiert auch für ihn eine Sage. Laut den Überlieferungen spuckte der Vulkan einst Feuer, Lava und Asche. Für einen Priester war es das Werk des Teufels. Mit Weihwasser versuchte der gottesfürchtige Mann, den Teufel zu verbannen. So verwandelte er die Lava in Schlamm, dem seither auch seine heilsame Wirkung zugesprochen wird. Tatsächlich lassen heute noch einige eine Schlammmassage über sich ergehen. Ob das so erholsam ist, mögen wir nicht beurteilen. Aber das Feeling in der dichten Suppe ist einfach extraordinär! Schwerelos bis extraorbitär fühlt sich das Unbekannte an. Auf jeden Fall haben wir hier oben im Weihschlamm unseren Spass. Den Schlamm werden wir übrigens im naheliegenden See wieder los – ein schwieriges Unterfangen.
Shakira, das kolumbianische Gesangs- und Tanzwunder, sorgte 2016 in ihrer Heimatstadt Barranquilla (Provinz Atlántico) für Aufregung. Es ging um den Ort, an dem eine Skulptur der berühmtesten Tochter der Stadt ihren endgültigen Platz finden sollte. Das Werk des deutschen Shakira-Fans, Kunst-Autodidakten und hauptberuflichen Landrats des rheinischen Kreises Neuss, Dieter Patt, welches als Frachtgut von Deutschland nach Kolumbien gelangt ist, sollte nach dem Willen der Sängerin auf einem verkehrsreichen Platz vor der Universität Atlántico aufgestellt werden. Hier seien die jungen Leute jeden Tag unterwegs’, für sie sei die Statue auch gedacht. Doch die Landesregierung von Atlántico war dagegen. Man mochte die sperrige fünf Meter hohe und fünf Tonnen schwere Eisenplastik lieber in einem noch zu gestaltenden ruhigen Park aufstellen lassen. Shakira hat sich mit ihrem Wunsch wohl durchsetzen können. Denn die Lichtgestalt Kolumbiens wollte nur dann zur Einweihungsfeier kommen, wenn die Skulptur an einem, ihr genehmen Ort aufgestellt würde. Denn: »Nicht ich bin es, die dort abgebildet ist, es ist meine Generation mit der Gitarre in der Hand«, hatte die Künstlerin gesagt, als sie erstmals die Statue in Augenschein nahm.
Dass die Lage verkehrsreich ist, können wir bestätigen. Nur einen kurzen 5-km-Abstecher wollen wir in der Stadt wagen, um einen Augenschein der Statue zu nehmen. Dabei geraten wir in ein fürchterliches Chaos. Keiner weiss, was los ist. Aber geduldig sind sie alle. Das wirkt auf uns glücklicherweise ansteckend.
Santa Marta an und für sich ist unserer Ansicht nach etwas aus dem Ruder gelaufen. Überfüllte Strände mit einheimischen Touristen säumen die unschöne Stadt. Man könnte nicht glauben, dass wir an der Karibikseite Kolumbiens sind. Selbst eine kleine Bootsfahrt an einen ‘einsamen’ Strand, macht den Eindruck nicht besser. Uns reicht es und wir machen einen Abstecher zum kleinen Dorf Minca in der Sierra Nevada de Santa Marta. Es ist berühmt für seine Bio-Kaffee-Plantagen und hat eine angenehm kühlere Temperatur als das heisse Santa Marta. Minca ist in den letzten Jahren zu einer beliebten Reisedestination geworden, vor allem bei Rucksacktouristen und Ornithologen. In einem Hostel mit zwei Plätzen für Overlanders treffen wir auf Janine und Laurens aus Holland (Janine aus Freiburg i.B.). Reisetechnisch kommen sie uns vom Süden entgegen und werden von Cartagena nach den Niederlanden verschiffen – leider. Wir verstehen uns sehr gut, so gut, dass die Abende manchmal schon mal in einem guten Whisky ertrinken. Minca ist ein wunderschönes und originelles Dörfchen, ursprünglich, und doch mit Bars und Restaurants, die unserem europäischem Geschmack entsprechen. Wir essen italienisch und libanesisch (zweiteres nicht gerade europäisch).
Wer sich schon in Minca aufhält sollte es sich nicht entgehen lassen, der Kaffeefarm Hacienda La Victoria einen Besuch abzustatten. Die Farm befindet sich gut versteckt in einem Seitental und hat eine Grösse von 700 Hektar. Die Hacienda liegt wunderschön gelegen im Talboden durch den ein kleiner Bach fließt. Sowohl das Hauptgebäude wie die Nebengebäude, darunter eine kleine Brauerei, sind von tropischen Pflanzen und wunderschönen Blumen umgeben. Claudia spricht perfekt akzentfrei Deutsch und nach ihren ersten Worten spürt man sofort in ihren Worten stecken eine Menge Humor und eine tiefe Liebe zu dem Ort, in dem sie lebt und arbeitet. Ihr Mann Micky Weber geboren in Hamburg hat diese Farm von seinen Eltern übernommen, die sie 1950 von Engländern erworben haben. Die Kaufsumme wurde, wie Claudia schmunzelnd erzählt, in Naturalien, nämlich in Kaffeebohnen abbezahlt. Als Micky die Plantage übernahm stand diese kurz vor dem Aus. Hervorgerufen durch den innerstaatlichen militärischen Konflikt mit der FARC. Dieses Gebiet kontrollierten die Paramilitärs. Mit dem Geld, das er in Mexiko verdiente, baute Micky den Betrieb wieder auf. Columbien gehörte 2017 mit 754.376 Millionen Tonnen zu den drei führenden Kaffeeproduzenten der Welt. Interessant dabei ist, dass Südamerika nicht das Ursprungsland des Kaffees ist. Die Kaffeepflanze stammt aus Afrika. Es wird angenommen, dass die Region Kaffa im Südwesten Äthiopiens das Ursprungsgebiet des Kaffees ist.
Entsprechend einer Legende, sollen es Hirten gewesen sein, denen die belebende Wirkung bei den Ziegen, die diese Kaffee-Beeren gefressen haben, aufgefallen ist und dann selbst probierten. Von Äthiopien gelangte der Kaffee vermutlich im 14. Jahrhundert durch Sklavenhändler nach Arabien. Geröstet und getrunken wurde er dort aber wahrscheinlich erst ab Mitte des 15. Jahrhunderts. Der Kaffeeanbau brachte Arabien eine Monopolstelle ein. Handelszentrum war die Hafenstadt Mocha, auch Mokka genannt, das heutige al-Mukha im Jemen. Die äthiopische Zubereitungsart und Kaffeetradition sind wohl die ursprünglichste. Nach dem Rösten der Bohnen in einer grossen Eisenpfanne, werden diese grob gemahlen oder im Mörser zerstampft. Das Mahlgut wird mit Wasser und Zucker in der sogenannten Jabana, einem bauchigen Tonkrug ähnlich einer Karaffe, aufgekocht und in kleinen Schalen serviert.
Das Wort Kaffee lässt sich bis auf das arabische ‘qahwa’ zurückverfolgen, das neben Kaffee auch Wein bezeichnen kann. Über das Türkische ‘kahve’ gelangte es ins Italienische (caffè) und von dort ins Französische (café), dessen Wortform ohne grosse lautliche Änderungen ins Deutsche übernommen und nur in der Schreibweise angepasst wurde. Der vornehmen Gesellschaft von Versailles soll der türkische Gesandte Soliman Aga 1669 erstmals Kaffee serviert haben.
Trotz der Hitze auf Meereshöhe, möchten wir nochmals zusammen mit Janine und Laurens an den Strand fahren. Hier finden wir den optimalen Platz im Paradies. Wir stehen direkt am Meer. Ein Paar Palmen und Bäume spenden uns Schatten, aber es ist immer noch sehr heiss. Tag und Nacht begleitet uns die Hitze in den Küstenregionen, aber schön ist es halt doch hier. Das Meer ist sehr wild, Strömungen machen es leider unbeschwimmbar. Hier geniessen wir das Nichtstun, was ganz schön anstrengend sein kann. Wir planen, heute ins nahe gelegene Dörfchen zu gelangen, eine Hängematte muss jetzt doch her, obschon wir vom Platzangebot her schon an der Grenze sind. Das Problem wird nur sein, dass wir zu zweit sind.
Zusammen mit Janine und Laurens verbringen wir einige gemütlichen Overlandertage mit horizonterweiternden Gesprächen.
Nähe Tayrona National Park 14.06.2023
Nach drei Tagen Strandleben, entscheiden wir uns für Mogli. Die Temperaturen bleiben aber fast unerträglich heiss und feucht. Mücken, Ameisen oder was auch immer, machen uns die Wahl zur Qual. Uns wird schnell klar, weshalb nicht so viele Gäste hier ins Paradies finden; es ist der Weg, aber der Weg ist das Ziel. Steil, ausgewaschen und durch den Fluss geht es ins Hotel Barranqero. Hier lassen wir uns von den französischen Besitzern Bruno und Laurance bekochen und verwöhnen. Zusammen mit Janine machen wir einen dreistündigen Ausritt in höhere Lagen. Bruno ist unser Leithammel. Wir baden im kühlenden Fluss Rio Piedra, oder machen einen Ausflug mit esoterischen Eindrücken in der Merkaba Elixir Jungle Lounge. Trinken Cacao und undefinierbare Fruchtdrinks.
Derweil re-organisiert Laurens die Rückverschiffung seines Mitsubishi Pajero. Ärgerlicherweise wurde das Juni-Datum durch ein Missverständnis mit dem Juli-Datum verwechselt. Nur blöd, die beiden müssen anfangs Juli wieder am Bürotisch in Amsterdam sitzen. Laurens kann aber die Polizeiinspektion in Cartagena vorab organisieren und das Fahrzeug für einen Monat im Hafen unterbringen. Kleines Anekdötchen am Rande erwähnt: der Bezeichnung ‘Pajero’ war in der Autogeschichte die denkbar ungünstigste Wahl und musste in spanischsprachigen Ländern, sowie in Nordamerika zu ‘Montero’ unbenannt werden. Das Wort ‘Pajero’ bedeutet hier einen vulgären Ausdruck (darf gerne gegoogelt werden). Das haben wir gar nicht gewusst, geschweige denn in unserer Spanisch-Schule gelernt. Unsere Freunde haben das auf der ganzen Reise zu spüren bekommen. Von Auslacher bis Stinkefinger. Traurig nehmen wir Abschied von unseren lieb gewonnenen Reisefreunden und lassen sie fliegen.
Bucaramanga 17.06.2023
Auf dem Weg nach Bucaramanga machen wir einen Zwischenstopp in Portachuela, einem praktisch nicht existenten Ort auf der Karte, bestehend aus einer ungepflegten Tankstelle, drei Tiendas mit identischem Sortiment (vorwiegend Chips und Weissbrot-wasserlöslich, wie das hiesige Klopapier). Die Strasse zum Camping ‚El Portal‘ führt uns zum kühlenden Fluss. Wir stehen wunderschön und ganz alleine in der Hoteloase am Fluss mit hübschen Naturpools und Restaurant, wo wir auch die einzigen Gäste sind.
… Sonntagmorgen, auf zum Wandern in luftige Höhen. Hoch ja, luftig weniger. Die Mittagshitze drückt, aber die Aussicht über die grün geschwungenen Urwaldhöhen, die den Fluss unter uns umrahmen, entschädigt unseren Aufstieg.
Wir kommen zurück und sind uns nicht ganz sicher, ob wir den richtigen Weg zurückgefunden haben. Unseren Horu können wir, versteckt hinter den vielen Besuchern, nur erahnen. Ach ja! Sonntag hoch Vatertag! Die Kolumbianer feiern solche Familienfeste herrlich ausschweifend! Familien über vier Generationen sind ganz geflasht von uns zwei Gringos vom fernen Kontinent, reisend in einer Camioneta mit Cocineta und Cama arriba. Wir kommen uns schon etwas ausser-kolumbianisch vor. Sie stürmen uns von allen Seiten und sind angenehm neugierig. Was für ein sympathisches Volk! Gente muy amable.
Feliz día de padre para tí, Samuel!
Unser nächster Zwischenstopp ist über dem Cañon Del Chicamocha, wo wir zwei Tage die wunderschöne Aussicht über das Tal im Camping Cabañas Campestre geniessen und ich unsere Homepage wieder etwas auffülle. Hier können wir auch unsere zwischenzeitlich wieder untrainierten Beine für spätere Abenteuer aufbereiten. Hier gibt es wunderschöne Wandertrails und für solche, die es etwas luftiger mögen, Paragliding. Am Abend sind wir zu bequem zum Kochen, und lassen uns ein kolumbianisches ‘para llevar’ in die Abgeschiedenheit kommen. Hat tatsächlich funktioniert, wenn auch mit kolumbianischer Verspätung von einer Stunde!