La Cruz 22.04.2023

Wir reisen aus Nicaragua aus und nach Costa Rica ein. Wer glaubt, das ganze Procedere am Ausreise-Border von Nicaragua sei einfacher, als bei der Einreise, der ist zu optimistisch. Wir hören schaurige Geschichten von Zeitansprüchen bis zu acht Stunden. Also sind wir zeitlich und nervlich gewappnet. Auch soll unser Fahrzeug auf ein Neues gescannt werden, damit haben wir unser Dohnen-Problem immer noch nicht gelöst. Dieses Mal pokern wir und verstecken sie einfach im Boden zwischen unserem Bergungsmaterial und den Fahrzeugersatzteilen. Wir stehen vor dem unbeschilderten Border, und schon verlangt man uns ein Formular ab, welches wir noch gar nicht erhalten haben. Keiner weiss, woher nehmen, und schon gar nicht wir. Irgendein ‚Beamter‘ ist uns dann behilflich und fragt die Lastenwagenchauffeure, die uns dann ein Formular auftreiben. Aha!, es ist das neue Einfuhr-Formular für unser Fahrzeug. Wieder heisst es, alles auffüllen, Namen der Zollorte (die müssen wir zuerst auf google map genau verifizieren), Fahrerangaben etc. Unser Ausreiseformular von Nicaragua müssen wir insgesamt drei Mal abstempeln lassen, natürlich an drei verschiedenen Orten, natürlich gar nichts angeschrieben. Dank unserem ‚Guide‘, welcher jetzt einfach mit uns läuft, laufen wir wie am Zollschnürchen bis zur Polizeiinspektion auf nicaraguanischer Seite. Auch diese hält sich natürlich versteckt. Hier sollten wir nochmals unseren Horu, inkl. verbotenem Inhalt, inspizieren lassen und den letzten Stempel erhalten. Wir haben Glück! Der Polizist ist vor seinem YouTube-laufenden Handy eingeschlafen, räuspert sich kurz, als ihn unseren Guide weckt und gibt uns seinen Segen, indem er den Stempel aufs Papier haut. Die Inspektion fällt infolge Siesta aus, oder aber, die beiden teilen sich das Guide-Honorar. In Costa Rica müssen wir nur noch die obligatorische Autohaftpflichtversicherung für USD 50.00 abschliessen und zur Passkontrolle. Die Passkontrolle kostet uns eine Stunde Wartezeit. Egal, wir wissen, das wird unser bürokratischer Stopp sein. Costa Rica präsentiert sich unserem Auge direkt schon nach der Grenze praktisch abfallfrei. Herrlich, dieser Anblick! Die Schweiz in Mittelamerika. Diese Wahrnehmung macht sich auch gleich bei unserem ersten Lunchstopp bemerkbar. Das Mittagessen schlägt im neuen Land gleich doppelt auf die Rechnung. 

Wir fahren nur noch eine halbe Stunde und machen in der Finca Cañas Castilla bei Agi und Guido, einem Schweizer Auswanderpärchen aus der Ostschweiz für zwei Tage halt. Ein typischer Treff für Overlander. Im Wald gelegen mit wunderschönem Garten, zwei Wanderwege führen durch das 60 Ha grosse Grundstück, welches Guido anfänglich mit Rindern bewirtschaftet hat. Jetzt haben die beiden nur noch Ziegen und Hühner und unzählige Affen tummeln sich in den Baumkronen. Auch ein Faultier „Sid“ hängt neben dem Haus im Dauerschlafmodus. Die beiden Schäferhunde begleiten uns treu auf unseren Wanderungen, bis ihr Jagdinstinkt von irgendeinem Geräusch im Dickicht mit ihnen durchbrennt. Irgendwann am späten Abend tauchen sie dann wieder auf.

Hier treffen sich amerikanische Radfahrer aus Alaska radfahrend, Kanadier mit ihren kleinen Zwillingsmädchen. Ein Bayer, der seit 4 Monaten ohne seine Frau unterwegs ist, die Tochter und der Schwiegersohn von Guido und Agi mit Amalia, welche im zarten Alter von zwei Jahren ihre Grosseltern zum ersten Mal sieht. Ein Schweizer, welcher hier eine Teakplantage betreibt. Eine Schweizer Familie mit ihren Teenies, welche für einen Monat Costa Rica bereisen. Sie beklagen sich über die Gamesucht ihrer Kinder im Urlaub, es sei doch so schön hier, sie verpassen alles. Ach Gott, wie froh sind wir, diese Themen nicht mehr am Ferienfamilientisch ausfechten zu müssen. Ich habe ihr gesagt, unsere Jungs sind trotzdem nicht spielsüchtig geworden und konnte sie sichtlich beruhigen. Agi kocht uns ein herrliches Essen, und wir essen allesamt gemeinsam ein Schweizer Essen (Gurkensalat, gebratene Kartoffeln, Rüebli und Cholräbli, Plätzli und mich eine überbackene Aubergine). Wow! Und alles auf Schweizerdeutsch!

 

Arenal 25.04.2023

Unsere Fahrt führt uns weiter zum Vulkan Arenal. Den wohl berühmtesten Vulkan in Costa Rica, ein Wahrzeichen, wie das Matterhorn für uns Schweizer. Wir erreichen Fortuna – ein bisschen auf Umwegen – aber unsere Navis wollten uns wieder directamente über Erdwege leiten. Heute haben wir keine Lust für Kurven, Auf und Ab und alles auf Gravel. Wir entscheiden uns für die gut ausgebaute Strasse um den Vulkan Tenorio und nehmen plus 50 km in Kauf. Zeitlich wäre es wahrscheinlich aufs Selbe rausgekommen, aber Horu wird’s uns danken! Arenal ist uns bereits aus früheren Jahren bekannt, nur haben wir seinerzeit Costa Rica leider von der Regenzeitseite kennen gelernt. Also jetzt bitte alles noch einmal in Farbe! Obschon, wir sind jetzt anfangs Regenzeit da. Wir campieren zwischen der Laguna de Arenal und dem Volcán Arenal auf einer Farmerwiese für USD 10.00, bewacht von ca. 7 Hunden. Nur, die Hunde stammen von zwei Familien (Nachbarliegenschaften) und bekämpfen sich öfters in der Nacht rund um unser Schlafgemach. Wir sind ein bisschen auf den Hund gekommen in der Nacht. Zudem sind morgens wieder alle vier Räder übermarkiert (zum Glück ist das Reserverad auf dem Dach). Wir wandern für drei Stunden im Urwald am Fusse des Arenals. Wunderschöne ‚Pfade‘ lassen uns nicht verlaufen. Vögel und Baumgrillen übertreffen ihren Gesang gegenseitig über unseren Köpfen, in der Ferne rauscht das Wasser, welches verschwenderisch von den Vulkanhügeln stürzt. Am Abend lesen wir uns insgesamt 12 Zecken ab. Keine Ahnung, ob von den Hunden oder sonst woher. Der Schweizer Guido (er weiss also, wovon wir uns fürchten) hat uns aber zuvor aufgeklärt, dass die Zecken hier in Costa Rica kein gesundheitliches Problem darstellen würden. Wir glauben jetzt einfach ganz fest daran. Schon mal beruhigend, die Einstichstellen jucken nicht und hinterlassen auch keine Pusteln. Günstige Prognosen stehen uns also bevor!

Schon von weitem ist er zu sehen, der Volcán Arenal. Ein Vulkan wie aus dem Bilderbuch. Wenn man genau hinsieht, kann man sogar erkennen, dass an einer Flanke Rauch aufsteigt.
La Fortuna, die Glückliche, heisst die kleine und doch recht touristische Stadt, die nur etwa 8 km entfernt am Fuss des Vulkans liegt.
Wir haben Glück! Während der 1633m hohe Bilderbuchvulkan oft von Nebel und Wolken verhüllt ist, zeigt er sich heute von seiner allerschönsten Seite. Im Moment schläft er, zum Glück! Doch bis vor kurzem gehörte der Arenal noch zu den aktivsten Vulkanen der Welt. Wir wandern drei Stunden durch die Schönheit des Urwalds, welcher den Vulkan umgibt. Nur selten können wir einen Blick durch die hohen Baumkronen erhaschen, auch sind wir zu sehr mit der Bodenbeschaffenheit beschäftigt. Doch, das soll sich tags darauf ändern: Die Zipline bietet uns die perfekte Perspektive durch und über den Baumkronen des Regenwaldes. Yeahhhhh!

Monteverde 28.04.2023

Vor 18 Jahren wurden wir wettermässig jämmerlich vom Nebelwald Monteverde enttäuscht. Wir waren genau zur richtigen Zeit da, nämlich der Regenzeit. Gesehen haben wir praktisch nichts, es war neblig, kalt, eigentlich wie an trüben und nass-kalten Novembertagen in der Schweiz. Wir sind sogar einen Tag früher abgereist. Heute machen wir einen neuen Versuch, dieses mal bei schönstem Wetter und angenehmen Temperaturen (obschon die Regenzeit gerade beginnt). Wir fahren entlang des wunderschönen Arenal-Stausees, die Strasse schlängelt sich in unendlich vielen Kurven geschmeidig dem Ufer entlang. „German Bakery“, warnt uns eine Tafel schon einige Kilometer vor unserem obligatem Stopp. Es wird immer touristischer, und die Tafeln am rechten und linken Strassenrand häufen sich derart, dass wir langsam die Übersicht verlieren. Trotzdem landen wir am richtigen Ort, beim richtigen Brot und essen noch einen Passionsfrucht-Streuselkuchen kombiniert mit einem echten Cappuccino. Tom, der Besitzer der Bäkerei, gesellt sich zu uns. Ein ausgewanderter, gelernter Bäcker aus dem Algäu, welcher viele Jahre als Backstagemitarbeiter für Rumpelstilz und Co. gearbeitet hat. Ein klassischer Assteiger: Back to the roots. Mit fast 70 Jahren ist er hier in Costa Rica nochmals Vater geworden. Wir erzählen uns unsere Geschichten, und er fragt uns nach Petra. Petra? Klar, wir durften zwei Tage die Nachbarschaft von Petra und Stefan in Oaxaca geniessen. Zwei liebenswürdige Personen, die wir sofort ins Herz geschlossen haben. Wir sind zu tiefst erschüttert, als wir von Tom vernehmen, dass Petra infolge einer Operation in Mexico verstorben sei. Das Blut gefriert mir in den Adern. Zusammen mit Tom kämpfe ich mit den Tränen. Stefan schreibt auf Facebook auf Petras Konto: „Nehmt es einfach so hin.“ Das fällt einem wirklich schwer.

Unsere Reise geht weiter Richtung Nebelwald. Wir stehen früh vor dem Eintrittsportal kurz nach Santa Elena. Denn auch hier gilt eine Eintrittsbeschränkung für die Anzahl der Besucher. Wir nehmen uns einen Guide. Zum Glück! Ohne ihn hätten wir nur die Schönheit des Primärwaldes gesehen, aber kein einziges Tier. So dicht bewachsen und dunkel ist der Wald. Auch trägt unser Guide ein Fernrohr mit sich. Als erstes erspäht er einen Tukan hoch oben in den Bäumen und das brütende Weibchen in der Baumhöhle. Wir hören etliche Vogelstimmen, können aber keine einzige zuordnen und die ungefähre Richtung nur erahnen. Herman, unser Guide, kennt die Stimmen federgenau, weiss nach welcher Farbe und Grösse er suchen muss, und sein Auge zielt genau dorthin, wo er die Akustik wahrnimmt. Stellt das Fernrohr mit Stativ auf und zack, präsentiert er uns den Vogel im Visier. Unglaublich! Wir sehen Taranteln in ihren Erdlöchern, Stabheuschrecken, die man im Geäst nur erahnen kann, diverse riesige Käfer, Bighorns, und, endlich, einen Quetzal! Alle sprechen von diesem Göttervogel, aber niemand sieht einen. Heute haben wir das Glück! Der Ruf ist oft das erste, wodurch sich der bunte Vogel verrät. Für unser europäisches Ohr klingt das „kiu-kiu-kiu“ eher nach dem Quaken einer Truthahnart, als nach einem majestätischen Vogel. Wild rufend fliegt der Quezal über die Baumwipfel, sein prächtiger Federschweif bewegt sich dabei wellenförmig. Diese spektakulären Flüge liessen die Mayas glauben, das es sich bei dem bunten Vogel um einen Boten zwischen Himmel und Erde handeln muss, und sein Ruf als „Göttervogel“ wurde geboren. Die Schwanzfedern nutzten die Herrscher als Kopfschmuck. Dazu fing man die Vögel ein und riss ihnen die Federn aus (die zum Glück wieder nachwuchsen). Wer es wagte, einen Quetzal zu töten, musste mit der Todesstrafe rechnen. Die Schwanzfedern des Männchens sind so lang (bis zu einem Meter), dass er sie aus der Nisthöhle heraushängen lassen muss. Es war eine wunderschöne Wanderung, und nach sechs Monaten erleben wir am Nachmittag unseren ersten Regen, wohl, weil wir im Regenwald sind.

Osa Peninsula 30.04.2023

Osa Peninsula liegt im Südpazifik von Costa Rica und gehört zur Provinz Puntarenas. Es ist bekannt als eines der legendärsten und auch entlegensten Reiseziele in Costa Rica und ganz Mittelamerika. Die langen Strecken des unberührten weissen Sandes stehen im Gegensatz zum schimmerndem, türkisfarbenem Wasser. Viele der hier vorkommenden Wildtierarten sind nur in diesem Gebiet anzutreffen. Tatsächlich gilt die südpazifische Region Costa Ricas aufgrund der aussergewöhnlichen Biodiversität der Tier- und Pflanzenwelt, die nur hier zu finden ist, als eine der wichtigsten Regionen.
Allein in Corcovado leben über 400 Vogelarten. Mit Hunderten von exotischen Säugetieren, Reptilien, Insekten, Affen, Amphibien, Walen und Delfinen. Kein Wunder, dass National Geographic Osa Peninsula zu einem der vielfältigsten und wildesten Orte der Welt erklärt hat! Sie werden sicher einen wilden Costa Rica-Urlaub auf der Halbinsel Osa haben.
Zwischen Golfo Dulce und dem Corcovado Nationalpark liegt die kleine Stadt Puerto Jimenez. Puerto Jimenez ist eine der grössten Städte in Osa (aber sehr klein) und hat einen gewissen historischen Wert als Holz- und Goldminengemeinde. Hier stehen wir für drei Tage am Meer. Es ist tropisch heiss, Tag und Nacht. Nicht einmal der Pazifik bringt uns mit seinen 30 Grad zum Abkühlen. Hier lernen wir Andy kennen. Wir haben zwei Sachen gemeinsam: Den Toyota und die Fähre am 22.05.2023 von Panama nach Cartagena. Andy ist schon seit Jahren nicht mehr in Deutschland angemeldet, lebte in Australien, durchquerte Osmanien und zuletzt arbeitete er in Mexiko. Wir teilen uns das Abendessen. Andy liefert Gulasch und wir einen Gratin. Nach drei Monaten isst Andy wieder einmal Salat, und, er schmeckt ihm sogar. Falls wir uns in Panama oder Columbien wieder treffen, das Menü steht bereits schon fest.

Die Halbinsel Osa enthält 5% der Tierpopulation des ganzen Planeten. Damit ist es eines der beliebtesten Ökotourismusziele. Es gibt über 40 Froscharten, vier Meeresschildkrötenarten, 100 Schmetterlingsarten, mehrere Schlangenarten, 10’000 Insektenarten, über 25 Eidechsenarten, Tapire, Krokodile, sechs Katzenarten, Pekaris und über 400 Vogelarten zu entdecken!

Um 05.00 Uhr musiziert mein Wecker. Wir haben um 06.00 Uhr mit unsrem Führer abgemacht, um gemeinsam mit ihm auf Entdeckungstour zu gehen. Wir fahren in den Urwald. Immer wieder hält Juan Carlos an, um uns zu zeigen, was er während der holprigen Fahrt neben, über, seitlich und auf der Strasse entdeckt hat. Wieder staunen wir über das Adlerauge unseres Führers und sein Wissen über die Natur, in welcher er aufgewachsen ist. Innert kürzester Zeit sehen wir alle vier, hier vorkommenden Affenarten: Die weissgesichtigen, allesfressenden Kapuzineraffen, der freche Herr Nilsson, das Totenkopfäffchen, bekannt aus Pipi Langstrumpf, die Klammeraffen (Spider Monkeys), auch als @ bekannt mit langen Greifschwänzen und langen Gliedmassen, mit denen sie sich agil durch die Baumkronen hangeln und die sich vollkommen vegetarisch ernährenden Brüllaffen, als «Lacher» aus der früheren Toyota-Werbung bekannt. Wir sehen Schmetterlinge, die viel zu schnell für unsere Kameras sind. Diverse Vögel, Kaimane und eine Boa, die hinter uns lautlos die Strasse überquert. Ein Faultier hängt hoch oben in der Baumkrone. Kaum sichtbar, in seinem dicken Fellmantel eingehüllt.
Ein perfekter Ort, um ein Lager aufzuschlagen. Juan Carlos besitzt zusammen mit seinem Bruder ein Stück Land, mitten im Primär-Urwald. Hier kocht er uns Reis mit Bohnen und Kochbananen, garniert mit Avocado. Wir verbringen einen wunderschönen Tag in drei Klimazonen, dem Strand am Meer, dem Sekundär-Wald und dem Primär-Wald. Vielen Dank Juan Carlos, für dein wachsames Auge und deine Erklärungen.