Midad del Mundo 12.09.2023
Wir haben nicht mitgezählt, wie viele Male wir den 0-Meridian schon von Nord nach Süd und umgekehrt, überschritten haben, sowohl auf dem Landweg, als auch auf dem Seeweg um Isla Isabela auf Galapagos. Nun haben wir einen Abstecher zum Catequilla 0-Meridian ‚El Real Equator‘, nordöstlich von Quito gemacht, um diesen Step auch bildlich festzuhalten. Zwei Kilometer Gravel, nahe am Abrund, haben sich definitiv gelohnt. Menschenleere auf dem Äquator empfängt uns. Jetzt geht unsere Fahrt endgültig weiter auf der südlichen Hemisphäre und dem Sommer entgegen.
Nationalpark Vulkan Cotopaxi 13.09.2023
Hoch oben in den Anden, liegt der Nationalpark Cotopaxi nur 50 km südlich von der Hauptstadt Quito. An einem klaren Tag ist es sogar möglich, den beeindruckenden, hoch aufragenden Gipfel des Cotopaxi von der Stadt aus zu sehen. Wir entscheiden uns für die nördliche Einfahrt in den Nationalpark.
Der Vulkan Cotopaxi ist DER ikonische Gipfel der Anden Ecuadors. So wie der Berg Fuji in Japan, hat auch er den perfekt symmetrischen, schneebedeckten Kegel, was die Aufmerksamkeit und die Fantasie in uns anregt. Cotopaxi lockt seit Jahrhunderten Kletterbegeisterte und Touristen an.
Aus einem bestimmten Sichtwinkeln nimmt der Mond beim Aufgehen für kurze Zeit die Position genau über dem Gipfel des Berges ein. Deshalb hat der Vulkan den Namen Cotopaxi bekommen, was „Hals des Mondes“ bedeutet. Gern wird die schneebedeckte Spitze in diesem Zusammenhang auch als Poncho bezeichnet.
86 Mal ist der Cotopaxi bereits ausgebrochen, was zahlreiche Täler entstehen liess. Der erste Ausbruch wurde im Jahr 1534 registriert. Man sagt sich, dass es während der Schlacht zwischen den Inkas und den Spaniern zum «protestierenden» Ausbruch des Cotopaxi kam, wodurch der Kampf unmittelbar beendet wurde. Heutzutage sind bisher nur noch häufige Rauchausstösse sowie kleinere Erdbeben zu verzeichnen. Der letzte grosse Ausbruch war im Jahr 1904.
Der Vulkankegel ist ein hervorragendes Beispiel für einen Stratovulkan (auch bekannt als zusammengesetzter Vulkan). Stratovulkane sind hoch und haben eine konische Form mit steilen Hängen. Sie bilden sich im Laufe der Zeit aus mehreren Ablagerungen von Lava, Asche und Schutt.
Die Ansammlung von Kammergas in Stratovulkanen macht sie anfällig für besonders heftige und explosive Eruptionen. Die Lava ist zähflüssig und dick und neigt dazu, sich während einer Eruption an den Hängen abzusetzen, anstatt die Basis zu erreichen.
Nach 1904 erwachte der Cotopaxi letztmals im Jahre 2015 zum Leben. Über 2000 Erdbeben wurden aufgezeichnet, sowie Aschewolken und die Emission von ca. 20’000 Tonnen Schwefeldioxid pro Tag.
Obwohl es nie zu einer grösseren Eruption kam, wurde die Umgebung vorübergehend evakuiert. Die Talregion von Quito war über einen Zeitraum von 6 Monaten in höchster Alarmbereitschaft. Seitdem ist Cotopaxi wieder der schlafende Riese Ecuadors.
Wir kommen gegen die Mittagszeit in der Lodge Tambopaxi an, vertreten uns noch etwas die Füsse auf der neu erreichten Höhe von beinahe 4000 Metern. Am nächsten Morgen wandern wir 15 km um den Limpiopungo Lake. Das Anden-Panorama ist herrlich, und der allgegenwärtige Cotopaxi, stets im Hintergrund, lässt uns unendlich viele Fotos schiessen. Der Lebensraum des Cotopaxi-Nationalparks ist exponiert und ziemlich rau für die Pflanzenwelt, aber es gibt trotzdem eine interessante Flora, wenn man weiss, wo man suchen muss. Nach dem Besuch der Galapagosinseln habe wir vieles über «Survival of the Fittest» gelernt und erkennen die kleinsten Lebewesen in all ihrer Schönheit in dieser unwirtlichen Welt zum Leben.
Eine dominierende Pflanze ist ein robustes strohartiges Gras, das fast überall auf den offenen Ebenen wächst. Dieses Gebiet ist auch perfekt für Moose, Flechten und kleine Andenblumen. Bei schönem Wetter geniessen wir die Landschaftsbilder, welche trotz dieser Kargheit umso mehr farbig und wunderschön unter dem blauen Himmel und beleuchtet von der Sonne über den Anden erscheint.
Am nächsten Tag wollen wir mit Horu noch ans Ende der Strasse zum Cotopaxi fahren, und dann weiter wandern bis zum ersten Rifugio auf 5000 Metern.
Der Cotopaxi lässt sich – gut akklimatisiert und von einem Guide geführt – gut erklimmen. Seine schwierigste Herausforderung ist nicht der Weg, sondern die Höhe, die Kälte und der starke Wind, die manchmal eine Umkehr erfordern. Im Moment hat er leider seine Tore geschlossen, da er leicht aktiv ist. Eine Übernachtung auf dem Parkplatz ist aus dem Gleichen Grunde nicht erlaubt.
Leider meint es das Wetter nicht gut mit uns. Wir wachen bei dichtem Nebel auf und hoffen, dass sich dieser noch auflösen wird. Horu kämpft sich die Strasse hoch und quittiert seine Strapazen mit schwarzem Rauchausstoss und herabgesetzter Leistungsbereitschaft. Mit Untersetzung kriecht er dann aber zuverlässig und ohne Problem den Vulkanfuss empor.
Oben angekommen, reisst es mir beinahe die Tür aus der Hand, und ich kann diese mit letzter Kraft in den Fingern wieder zuziehen. Ob wir da wirklich austeigen wollen? Wir tun es, aber heftiger Wind, Regen und bissig kalte Nebelschwaden blasen uns um die verdeckten Ohren. Bis jetzt hatten wir so viele Male das Wetterglück auf unserer Seite, deshalb kehren wir dem heute unsichtbaren Cotopaxi stoisch den Rücken und machen uns auf die Weiterfahrt Richtung Südausgang des Nationalparks.
Chimborazo 16.09.2023
Der inaktive Vulkan Chimborazo ist mit seinen 6263 m Höhe der höchste Berg in Ecuador. Der Gipfel des Chimborazo ist wegen seiner Nähe zum Äquator der am weitesten vom Erdmittelpunkt entfernte Punkt auf der Erdoberfläche. Wir fahren bis 4800 Meter Höhe, und Horu quittiert uns seine Höhenarbeit wiederum mit viel schwarzem Rauch und weniger Leistung; uns wird es später zu Fuss nicht besser ergehen.
Heute haben wir das Wetterglück wieder auf unserer Seite. Die Sonne scheint, und der Wind bläst moderat. So schmeichelt uns die Sonne warm entgegen, und die Temperaturen fühlen sich angenehm warm an (beim Gehen).
Unser Ausgangspunkt ist heute auch das Ziel der berühmten „Carrera del Chimborazo“. Die Radfahrer quälen sich die 38 km lange Strecke von San Juan hoch, 1618 hm gilt es zu überwinden und das auf dieser sauerstoffarmen Höhe bei starken Winden, umhüllt von Staub, Staub und nochmals Staub. Unser Ziel liegt noch etwas weiter oben. Über die Laguna Condor Chocha krabbeln wir weiter bis auf 5300 Meter zum „Agujas de Whimper“. Wir geniessen den herrlichen Weitblick mit dem ewigen Eis des Chimborazos im Rücken. Wenn wir die Gletscherabbrüche hoch über uns, in sicherer Distanz, sehen, können wir verstehen, weshalb die Besteigung der obersten Spitze den Bergsteigern immer viel abverlangt. Die Erderwärmung hält auch hier Einzug, der Gletscher schmilzt und gibt immer mehr nackten Fels frei, der heimtückisch lose sein kann. Felsstürze und Steinschlag sind die Folge. Die Routen müssen immer wieder neu angepasst werden. So verwundern uns die vielen Gedenksteine weiter unten nicht, unter ihnen auch der einer Schweizerin.
Auf unserer Talfahrt kämpfen sich immer noch einige Athleten dem weit entfernten Ziel entgegen. Ein Sportler kurbelt sich sogar auf dem Liegerad den Berg hinauf. All unsere Achtung gilt diesem Paraplegiker!
Cuenca 17.09.2023
Wir fahren heute nach Quenca, etwas spät, da unsere Verabschiedung auf dem Camping bei Juan und Juanito in San Jose etwa zwei Stunden dauerte. Es sind zwar nur 276 km, die vor uns liegen, aber diese führen uns über die Andenkette bergauf und bergab. Heute fahren wir gefühlte 5000 hm in unzähligen Kurven. Einmal führen uns Garmin und Mapsme infolge kürzerer Strecke von der E35 auf die E45. Um dann wieder zurück auf die E35 (gleich Panamericana) zu fahren, müssen wir ein tiefes Tal durchfahren, diese Höhenmeter wurden nicht einberechnet. Wir nehmen uns beide an der trockenen Nase (auf dieser Höhe), wir hätten vorher die Rute besser kontrollieren sollen. Nach fünf Stunden Fahrt erreichen wir Cuenca um 18.00 Uhr. Uns bleibt nur noch der Gang ins nächst gelegene Restaurant.
Cuenca ist mit etwa 330.000 Einwohnern die drittgrösste Stadt Ecuadors. Sie liegt ihrem Namen entsprechend in einem andinen Hochlandbecken in 2450 bis 2600 m Höhe.
Cuenca wurde 1557durch den Gouverneur und Generalkapitän als «Santa Ana de los Cuatro Ríos de Cuenca» gegründet. Den Auftrag dazu hatte er vom 3 Vizekönig von Peru erhalten, der vor seinem Amtsantritt 1555 Gouverneur des spanischen Cuenca gewesen war.
50 Jahre wurden hier blutige Kämpfe ausgefochten. Die Inkas Túpac Yupanqui hatten die Kañari-Indianer bekämpft. An der Stelle der Kañari-Siedlung Guapondelig wurde nun Tomebamba als religiöses und kulturelles Zentrum am Hauptweg von Cusco nach Quito errichtet. Als 1547 die ersten spanischen Chronisten das Land erreichten, lag die Stadt in Trümmern. Schuld daran war vermutlich der Inka-Erbfolgekrieg
Am 3 November 1820 wurde Cuenca durch Simón Bolívar für unabhängig erklärt. Vierzig Jahre später kamen französische Jesuiten nach Cuenca, die sich auf friedliche Weise niederliessen.
Wirtschaftlich ist Cuenca ein bedeutendes nationales Zentrum der Keramikindustrie, der Hut- und Korbflechterei (Panama-Hüte), der Lederverarbeitung und der Schmuckherstellung in Gold und Silber. Aus Cuenca und Umgebung stammen überproportional viele der ecuadorianischen Arbeitsemigranten in den USA und Europa. Cuenca kennt aber durch seinen neuen Parque Industrial beim Flughafen auch einen Zustrom von Arbeitskräften aus Guayaquil und aus dem Ausland.
Wir bummeln der Calle Larga entlang. Bevor wir dem Museo del Sombrero einen Besuch abstatten, machen wir noch einen kurzen Abstecher ins nahe «Prohibido Centro Cultura». Ich gebe zu, das Wort «Prohibido» wirkt für mich wie ein Trigger. Dazu kommt, dass das Zentrum in fast jedem Reiseführer empfohlen wird. Eine Besichtigung scheint also quasi ein Muss zu sein.
Das «Prohibido Centro Cultural» ist wohl als Kaffee- und Kulturzentrum gedacht. Ein paarmal im Monat soll es dort auch kulturelle Veranstaltungen – welcher Art auch immer- geben.
Wir sehen den Ort in erster Linie als einen privaten Ausstellungsort skurriler Kunstwerke. Der Künstler Eduardo Moscoso (55) verwirklicht sich dort seit 25 Jahren. Seine Werke reichen von skurril bis makaber und konnten früher wohl nur incognito bestaunt werden. Oft schaudert es uns doch den Rücken hinunter, und wir raten tief Gläubigen von einem Besuch ab.
Gleich gegenüber von der Markthalle in der Calle Larga liegt das Panamahut Museum. Der Ursprung des Panamahuts ist erstaunlicherweise nicht Panama, sondern eben in Ecuador. Und hier wiederum ist besonders Cuenca für seine Herstellung bekannt. Das «Museo del Sombrero» in der Calle Larga, ist eher eine Manufaktur mit einer grossen Verkaufsfläche. Direkt neben den Vitrinen wird an den Maschinen gearbeitet. Der Panamahut wird aus den Toquillastroh genannten Pflanzenfasern hergestellt. Vor Ort kann man sich die Herstellungsschritte erklären und zeigen lassen. Und natürlich kann man sich anschliessend auch einen Panamahut anpassen lassen.
Fun-Fact: Gerüchteweise entstand der falsche Ursprung des Namens «Panama-Hut» dadurch, dass Präsident Roosevelt 1906, bei einer Besichtigung des Panamakanals, einen jener Strohhüte trug. Ein Foto machte den Hut weltbekannt. Fortan trug diese Kopfbedeckung den Namen «Panamahat».
Wir machen noch eine zweistündige Bustour durch das wunderschöne Cuenca, hoch zum Aussichtspunkt, wo der Bus stillsteht, und seine Mitfahrer zu einem 15 Minuten Aufenthalt im kleinen Ortsteil animiert. Ich bleibe sitzen, um unsere Sitzplätze zu behalten. Leider fährt der leere Bus (mit mir) weiter. Mir ist aber klar, dass er wohl irgendwo das Gefährt wenden muss. Spannend wird’s aber trotzdem, als er sicherlich 1.5 km den Berg hinunterfährt, Halt macht, und den Bus zu reinigen beginnt. Erschrocken nimmt der Fahrer noch einen blinden Passagier wahr, glücklicherweise wendet er tatsächlich und setzt die Rückfahrt oben auf dem Mirador fort. Was für eine schöne Aussicht: Sam steht zum Glück auch noch da!
Am Abend wollen wir nochmals unsere Standheizung aktivieren. Schnell lernen wir unsere neuen Nachbarn aus Columbien kennen, sie glaubten schon, unser Fahrzeug brenne. Tja, so schlimm war es noch nie. Die Heizungsgeschichte hat also eine Fortsetzung.
Parque Nacional de Cajas 20.09.2023
Auf 3900 Metern Höhe parkieren wir Horu beim Visitor Center Toreadora. Die Laguna Toreadora ist eine von unzähligen Lagunen in diesem grandiosen Park. Auf Höhen von 2500 bis 4100 Metern sind sie das Überbleibsel einer urgeschichtlichen Gletscherlandschaft. Unsere erste Entdeckungswanderung führt uns durch eine wunderschöne Tundralandschaft, und, obwohl die Sonne wirklich nicht ihr Bestes gibt, strahlt die Landschaft zum Trotz in den schönsten Erdtönen.
Nach einer angenehmen Nacht auf 3900 Metern – mit notabene, erfolgreichen Testläufen unserer Standheizung – gehts am Folgetag auf den Cerro San Luis. Wir müssen zugeben, ein bisschen überrascht uns „San Luis“ schon. Steil und sehr streng soll der Aufstieg sein, was wir vorerst eher der Höhe zuschreiben. Die Anforderungen liegen aber viel mehr im technischen Bereich. Exponierte Stellen und rutschiger Untergrund fordern auch unsere mentale Konstitution. Jetzt, wo es senkrecht durch ein Couloir hochgeht, kommt mir die Passage fast überhängend vor. Meine Wanderstöcke möchte ich am liebsten über die Felswand schmeissen; Pickel und Seil wären hier angemessener gewesen. Nicht auf, sondern an allen Vieren geht es am Fels empor. Ans Umkehren habe ich auch schon gedacht. Aber im Wissen der Verhältnisse, gepaart mit ‚bergab‘, bleibe ich lieber im Unwissen, was uns dieser Loop an Überraschungen noch bringen wird. Auch mental werden wir gefordert, oben angekommen, gibt es mindesten drei Cerros.
Wir werden für unseren (meinen) Durchhaltewillen endlich belohnt: Hoch oben überrascht uns der Ausblick über hunderte Lagunen, umrahmt von sämtlichen Bergspitzen im Nationalpark.
Der Weg bergab: Tja, Schwerpunkt eher tief, und auf allen Vieren, aber rücklings gegen den Berg. Am gleichen Nachmittag fahren wir an die Pazifikküste hinunter. Was heisst, 4000 Höhenmeter in zwei Stunden zu vernichten. Wir durchfahren sämtliche Klimazonen Ecuadors in kürzester Zeit! Von Tundra durch den Nebelwald, Urwald, bis hinunter in die Tropen.
Im Nebelwald hält uns nochmals das Adrenalin auf Trab: Die Sicht ist gerademal zwei Meter weit. Schritttempo mit sämtlichen Lämpchen inkl. Warnblinker sind angesagt. Immer mit der Angst im Rücken, dass einem Truck hinter uns die Bremsen versagen.
Frontera Huaquillas 22.09.2023
Am Abend werden wir noch zusätzlich gefordert, weil sämtliche Übernachtungsplätze, die wir anpeilen, nicht zur Verfügung stehen. Da wir vor dem Grenzübergang nach Peru nur durchwegs vor verschlossenen Übernachtungstoren stehen, bleibt uns nur noch die Möglichkeit einer Grenzerfahrung: Übernachtung am Grenzposten von Ecuador. Nach Rücksprache mit dem Polizisten, heisst uns dieser herzlich willkommen, gesichert von zwei Polizeifahrzeugen zu nächtigen. Die Nacht ist so-la-la. Morgens um 02.30 Uhr werden wir mit lauter Harmonikamusik alla Schwyzerörgeli, begleitet von aggressiven und protestierendem Hundegebell geweckt. Ein Reisebus muss angekommen sein, und hat den Musikanten sowie die Snackverkäuferin aktiviert. Auch das ganz-nächtliche Gespräch der beiden hält uns bis in die Morgenstunden wach. Horu melden wir nach unserem Frühstück in Equador ab. Auch in Peru läuft alles wie am Schnürchen, nur das Warteschnürchen der Migration ist mit 1,5 Stunden etwas lang. Bienvenidos a Peru!