Whitehouse
In Whitehorse kaufe ich mir erst mal eine Wollmütze und warme Trapper Socken für kalte Nächte. Sam stimmt das schon sehr zuversichtlich; er ist grosser Hoffnung, dass ich mich doch noch für den Demster-Highway entscheiden und mit ihm über den nördlichen Wendekreis fahren werde. Hier in Wihtehorse finden wir eine richtig gute Bäckerei mit echtem Brot, welches wir nicht toasten müssen. Ok, 10 Dollar lassen wir uns ein Alaska-Brot kosten, dafür lassen wir das Müesli für 21 Dollar im Regal stehen. Schnell merken wir, dass die Verkäuferin mit einem Ostschweizer Dialekt spricht. Die Liebe der Landschaft hätte sie hierhergebracht. Obwohl, die Winterzeit von beinahe 8 Monate fühle sich schon sehr lang an. Letzen Winter hätten sie längere Zeit minus 50 Grad gehabt! Die Autobatterien müssten warm eingepackt und beheizt werden. Bewundernswert. Ja, der Demster-Highway wäre sehr schön, ob wir denn genügend ausgerüstet seinen mit Rädern (????). «Mehr, als ein Ersatzrad?», war intuitiv meine Frage darauf. Tja, was nützen mir da die warmen Schlafsocken? Wir fahren dem Klondike-River entlang weiter Richtung Dawson. Bei den Five-Finger-Rapids machen wir einen Stopp und laufen die 1,8 km hinunter zum Fluss. Besser gesagt, wir rennen. Wir haben den Mückenspray vergessen und werden sofort von tausenden von Mücken attackiert. Der kleine Abstecher hat sich aber gelohnt. Wahnsinn, wie sich die Schaufelschiffe durch die Stromschnellen flussaufwärts gekämpft haben, als es den Klondike-Highway noch nicht gab. Mit Seilwinden haben sie sich seitlich an den Felsen festgemacht, oder aus den Sandbänken befreit.
Dawson City
Der Hightway weist jetzt viele Löcher und noch mehr Baustellen auf. Am 18.07.2022 kommen wir in Dawson City an, da fliesst der Klondike River in den riesigen Yukon. Auf dem Parkplatz lernen wir noch Uli (der II.) und Manuela kennen. Wir finden im voll besetzten Downtown Hotel noch einen Tisch für sechs Personen zum Essen. Hier ist auch das «Home of the SourToe». Die Challange liegt darin, dass dir ein in Schnaps eingelegter Zeh’ eines Goldgräbers (ähnlich, wie die in Formalin eigelegten, gruseligen Körperteile in einem medizinischen Institut) in dein eigenes Schnapsglas gelegt wird. Du musst den Schnaps so austrinken, dass du mit den Lippen den Zeh’ berührst. – Wir brauchen keine Challenge mehr. Die nächste Challenge kommt bestimmt. Am nächsten Tag wollen Sam und Uli noch die Gelenke unseres Horu abschmieren. Das wird eine Drecksarbeit, und ich verzieh’ mich dann lieber für diese Zeit und schlendere durch die lehmigen Strassen von Dawson, eingerahmt mit Gehsteigen aus Holz und den kulissenähnlichen Häuserfronten, die an den Wilden Westen erinnern.
Dempster-Highway
Am 19.07.2022 machen wir noch einen kurzen Abstecher in das Goldgräbertal, dem Bonanza-Loop. Das Tal ist völlig aufgewühlt von monströsen Maschinen aus dem Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts. Riesige Steinhaufen türmen sich im Tal zwischen den Tannen und erreichen fast deren Gipfel. Das Werk wurde in den 50er Jahre stillgelegt. In den 46 Betriebsjahren wurden sage und schreibe 50 Tonnen Gold gewaschen. Die Goldpreise fielen, und das Werk wurde stillgelegt. Im Anschluss fahren wir (uns unausgesprochen einig) auf den Dempster Highway Richtung Norden. Anja und Uli begleiten uns noch bis Tombstone Mountain und verabschieden sich dann nach 14 gemeinsamen Abenteuertagen von uns. Sie werden Richtung Alaska ziehen. Es war toll mit euch, auf Wiedersehen; wir nehmen euch beim Wort!
Das Wetter ist auf unserer Seite, und die Farben ziehen in grün, rot, weiss und gelb an uns vorbei, über uns der blaue Himmel mit skurrilen Wolkenformationen, vom Winde verweht unter uns der Highway in allen Erdtönen und Kieselformationen. Der Dempster ist die einzige Strasse in Kanada, welche über den Arctic Circle führt, ins Land der Mitternachtssonne bis hin zum Arctic Ocean. Nicht nur ein Ort auf der Karte, sondern auch ein Ort zum Leben. Der Bau der Naturstrasse, welche gänzlich auf Permafrost gebaut ist, wurde 1959 begonnen und 1979 in Inuvik beendet. Bis Tuk (Tuktoyaktuk) weist sie eine Länge von 899 km auf (one way!). Hier gibt es diverse Wildtiere wie Moose, Karibou, Elk, Mule Deer, Hirsch, Falken, Bergziegen, Thinhornsheep, Luchse, Füchse, Adler, Schwarzbären, Grizzlys, Wölfe, und zahlreiche Insekten. Die Strasse führt uns durch verschiedene Vegetationsstufen und endet in einer Tundra Landschaft, nur wenige Meter über dem Meeresspiegel am Arctic Ocean. Wir finden ein schönes Übernachtungsplätzchen auf dem Seven-Mile Hill mit 360° Rundsicht. Die Mücken sind aber auch hier wieder omnipräsent und hängen blutrünstig an unseren Insektenvorhängen. Ich lese noch bis spät in die Nacht, welche sich am Sonnenstand gemessen, wie nachmittags um vier anfühlt. Plötzlich scheint die Abendsonne heller und wärmer in einer noch nie gesehen Farbe in unser Schlafgemach. Ein wundervolles aber auch ungewohntes Erlebnis, die Sonne in der nördlichen Hemisphäre im Norden zu sehen. Die Stille hier oben ist unbeschreiblich. Ich habe das Gefühl, ich höre meine Hirnströme fliessen, zwischendurch nehme ich das Kühlschrankaggregat wahr. Ich könnte stundenlang wach bleiben (bleibe es auch). Es ist schwierig, diese wunderbare Landschaft in Bildern festzuhalten, trotzdem möchte ich euch damit überfluten.
Arctic Ocean
Am 20.07. überqueren wir bei 66°33’ / km 405 des Dempster Highways den Arctic Circle. Wenn ich richtig im Geografie-Unterricht aufgepasst habe, müsste das der nördliche Sonnenwendekreis sein. Unser Ziel, der Arctic Ocean, liegt jetzt greifbar nahe. Nach Inuvik gilt es, noch ein paar Höhenmeter zu erklimmen, welche später, Richtung Tuktoyaktuk (Tuk) in einer Tundra Landschaft und auf Meeresspiegel auslaufen. In dieser Tundra Landschaft sehen wir viele Schneetöffs am Wegrand liegen, wir fragen uns, wem sie wohl gehören, Jägern und Fischern? Bei einer kleinen Mittagsrast am Wegrand kommt uns ein Fischereiaufseher besuchen. Wahrscheinlich möchte er nur einen Blick in unser Fahrzeug werfen. Sämis Fischerrute liegt versteckt und ist alles andere als einsatzbereit. Der Herr ist aber sehr höflich und schenkt uns einen Fischerlöffel mit dem Symbol von Northwest Territories mit einem riesigen Dreierhaken, dieser ist wohl für den Belugawahlfang konzipiert, ganz und gar nichts für unser filigranes Lachs-Rütchen. Er sollte uns Glück bringen, meint er. Tuk ist ein kleines Dorf. Es gibt nicht viel zu sehen, nur unser erreichtes Ziel, den Arctic Ocean. Es gibt genau ein Restaurant, welches geöffnet hat. Auf den Beluga-Wal verzichte ich gerne. In diesen Breitengraden müssen wohl alle Vegetarier hungern. Die Menschen hier leben von Wahlfisch, Robben und Fisch. Vegetarier sind Mooses und Elks.
Auf dem langen Rückweg nach Dawson, sehen wir am Wegrand noch einen stehenden Grizzly, als würde er uns winken, zeigte er seine Pranke, bevor er im Gebüsch verschwindet. Im offenen Gelände sehen wir einen Weisskopfadler und ein Wildpferd. Es ist bereits 22.00 Uhr, und die Tiere lassen sich blicken. Angekommen im Dawson geht es zum Autowasch. Wir haben ca. 10 kg Dempster-Strassenbelag am Unterboden, und die Fenster sind zugekleistert. Zwei Stunden und 14 Dollarmünzen für Vorwaschen, Hauptwaschen, wieder Vorwaschen, mit Schwamm, Spülen….es bleibt eine leichte Patina, aber die Originalfarbe ist wieder erkennbar. Jetzt 1 kg Dempster-Strassenbelag an den Kleidern. Heute ist WASCHTAG!
Border to Alaska
Jetzt können wir einigermassen sauber nach Alaska einreisen. Von Dawson setzen wir via Fähre über den Yukon zum «Top of the Word Highway». Nach ca. 10 km merken wir, dass wir eigentlich noch hätten tanken sollen, denn die nächste Tankstelle ist 300 km weit entfernt, Reservetank leer, Haupttank ¼ voll. Wir sind so auf die tieferen Dieselpreise in den U.S.A. fixiert, dass wir die Realität in unseren Tanks völlig vergessen haben. Also wieder zurück auf die Fähre nach Dawson. So nehmen wir die Fähre in kürzester Zeit drei Mal in Anspruch, und immer dasselbe Personal winkt uns freundlich zu. Manchmal ist es von Vorteil, haben wir eine deutsches Autokennzeichen (sorry Deutschland). Wieder Naturstrassen, wieder Regen bis Schneehagel. Die ganze Wäsche für den Fuchs! Wir haben wieder eine Rundumgrundierung in der Farbe Natural Adventure Nr. 3510, diesmal im «Top-of-the-Word-Look». Gut getarnt, übernachten wir kurz vor dem Border nach den U.S.A., etwas weg vom Highway auf einem Spot mit 360°-Rundumblick in die Weite. Wir machen noch «Kühlschrank-Ausessete», da keine Lebensmittel in die U.S.A. eingeführt werden dürfen. Es gibt Hörnli mit Kartoffeln, Zwiebeln und Käse (alla Älplermagronen), gemixt mit Rüebli und Peperoni, dazu Salat mit Tomaten und Gurken und noch eine halbe Flasche Malbec, ganz nach dem Kühlschrankmotto: was die Resten so hergeben. Ich mache noch ein paar Drohenflugstunden (eher Minuten), bin etwas nervös, da der Akku schon geleert ist und ein bedrohlicher Alarm losgeht, sollte zwar für den Heimflug reichen, aber dem Greenhorn fehlt es noch an Beharrlichkeit, zudem ist das amerikanische Zollamt unten im Tal zu sehen. Alles gut, Drohne ganz, Batterie am Laden, Zollamt ruhig.