Fortsetzung Teothihuacan 04.03.2023

Unsere vier Wochen Schweiz-Aufenthalt sind viel zu kurz. Wir sind uns Kalendereinträge nicht mehr gewohnt, und es fühlt sich alles sehr ‘beeindruckend’ an. Termine organisieren, Bürokratie mit der Steuerverwaltung uns Sonstiges. Dieses und jenes gewinnt dem gemütlichen Zusammensein mit Familie und Freunden viele kostbare Zeit ab. Emotionale Geschehnisse geben nur wenig Platz frei, unsere bisherige Reise Revue passieren zu lassen. Das ersehnte Wiedersehen mit unseren Jungs, welche unser geliebtes Zuhause im wunderschönen Zürich pflegen, der verschwenderische Platz auf 250 m2 Fläche, anstelle von 6 m2, die Endlos-Warmwasser-Dusche, das Highspeed-Internet mit 10 Gbit/sec. und und und und lassen unser Herz höher schlagen. Schnell ist die Zeit um, schon wieder packen wir unsere Reisetasche, und wieder nehmen wir mehr mit, als unser Horu Platz hergibt. Die Gleichung ist einfach: Plus eine Reisetasche. Nein, nein, keine Kleider und Schuhe meinerseits, sondern div. Ersatzteile für Horu, mitunter eine Kettensäge, für Fälle, wo die Machete stecken bleibt. Motor? Nein! Man-Woman-Power.
Und wenn wir schon mal aufrecht und ergonomisch am Tisch sitzen können und uns über zuverlässiges und schnelles Internet freuen können, holen wir doch gleich unsere Offerten für die Verschiffung Panama-Columbien ein. Viele Anbieter antworten gar nicht, andere antworten, aber zu spät. So entscheiden wir uns vorerst einmal für die panamerikanische Firma Overland Embassy und erhalten prompt eine Offerte von Alejandro. Da unser Horu nicht nur fahrtauglich, sondern auch Container-tauglich ist, wäre ½ HC 40’ Container die beste Lösung für uns. So, we hope to share. Simultan erkältet, mit identischem Virus, treffen wir unsere letzten Vorbereitungen unter Neo-Citran-Einfluss. Ganz klar, unser Immunsystem ist jetzt eher in gastro-intestinaler Defensive. Der Nasen-Halsbereich ging in acht Monaten vergessen. Zudem waren wir all die Zeit nicht so Vieren-exponiert (ausser unser kalifornischer Covid-Booster). Das muss sich schnell wieder verbessern! Denn wir sind schon in digitaler Vorbereitung für die Ersteigung des Iztaccíhuatl (Schlafende Frau), ein ruhender Schichtvulkan und dritthöchster Berg Mexikos. Die Besteigung ist technisch nicht schwer, jedoch langwierig und vor allem im Gipfelbereich mit einigem Auf und Ab in über 5000 Metern Höhe doch schon mühsam.

Parque Nacional Iztaccíhuatl-Popocatépetl 06.03.2023

Wir treffen unseren Horu unversehrt auf dem Campground an, die Pneus sind prall, der Motor läuft rund. Wir räumen unsere Zusatztasche ein und sind jetzt vom Platzangebot her wirklich am Anschlag. Wir fahren am Sonntag nach 11.00 Uhr ab, das Timing ist gut. Im Staat und in der Stadt Mexico regieren die Verkehrseinschränkungen (Umweltzonen). Am Freitag dürfen wir mit unserer Endziffer ‘9’ nicht fahren. Am Samstag dürfen wir mit unserem Horu (Diesel, Jahrgang 2000) nie fahren. Heute Sonntag haben wir mit unserem Horu freie Fahrt ab 11.00 Uhr. Wir sind auf dem Weg nach Amecameca. Nach einer Stunde nähern wir uns gefährlich nahe der Metropole Mexico City, weil wir noch einen autorisierten Telcel-Shop für unsere SIM-Karten aufsuchen möchten. Wir landen im totalen Chaos, auch wenn wir nur die Peripherie streifen. Vierspurig, Ampeln rechts, links, Motos überholen allseits und umkreisen einen, Strassenverkäufer blockieren die Strasse zusätzlich, das Navi (inkl. Zusatznavi) verliert auch immer wieder seine Nerven und sucht verzweifelt nach Satelliten. Nichts wie weg von da. Ruta Periférico tönt zwar vielversprechend, denkste, unser Navi zeigt nur noch ein Wollknäulen von Strassen. Autobahnknotenpunkte in achtblättriger Kleeblattform und das hoch vier Ebenen. Bei einem weiteren Fluchtversuch landen wir auf einer Baustellen-Umfahrung, welche unter der Autobahn durchführt. Im letzten Moment sehe ich, das sind doch keine 2.80 Meter Höhe, und trotzdem werden wir durchgewunken. Wir legen aber lieber den Retourgang ein. So werden aus vorausgesagten 1,5 h Autofahrt schnell mal 3 Stunden. Müde und mit flauem Magen erreichen wir Amecameca. Wir übernachten in einem Autohotel. Autohotel? Ein ebenerdiges Zimmer alla Motel-Style mit Vorplatz für Horu. Quasi eine Camping-Extension. Wir sind glücklich. Das Zimmer ist sauber, warme Dusche, Fernseher, den wir nicht brauchen, Wasserflaschen. Kosten: CHF 15.00 für alle drei! Mit 2480 M.ü.M ist Amecameca der Ideale Ausgangsort, um uns als Wiederneuankömmlinge in Mexico an die Höhe zu gewöhnen. Noch immer leiden wir unter unserer Schweizer Erkältung und ich an Appetitlosigkeit mit Übelkeit und Diarrhoe. Trotzdem fahren wir auf den Paso de Cortés auf 2780 m.ü.M, von wo aus wir ein kleine 10km Wanderung auf 4000 M.ü.M machen. Die Höhe macht uns schon zu schaffen, die Atemfrequenz macht sein Wettrennen mit der Herzfrequenz. Was immer der Grund ist. Magen-Darm, Erkältung, Höhe, Jet Lag, Kohlenhydratmangel   . Zurück im Hotel, fallen wir halbtot ins Bett. Am nächsten Tag gibt es eine Wiederholung und etwas Zugabe. Schliesslich haben wir am Freitag unseren Hike auf 5200 Metern! Und, es wird besser! Der Appetit ist zurück, wir sind schneller, der Kreislauf ruhig. Die Landschaft im Nationalpark ist wunderschön. Riesige goldene Grasbüschel bewegen sich sanft im Wind, der strahlend blaue Himmel gibt seinen Kontrast dazu. Ein lichter Pinienwald säumt den Weg. Diese ca. 5 Meter hohen Nadelbäume sind wahre Überlebenskünstler! Wir treffen sie bis auf eine Höhe von 4300 Metern. Lupinienfelder stehen kurz vor der Blüte, nur schade, dass wir zu früh sind. Das blau-lila Bild während der Blütezeit kann ich mir nur in Gedanken vorstellen. Hie und da macht sich unser Freund, der Popocatépetl mit einem dumpfen Grummen bemerkbar und stösst seine Rauchwolke hoch in den blauen Himmel aus. El Popo, oder Don Goyo ist mit seinen 30’000 Jahren ein junger Vulkan. Seit 1994 ist das Besteigen des Vulkans wegen seiner Aktivität untersagt. Er ist wach, hellwach sogar. Mexikos zweitgrösster Berg faucht und spuckt bis in die Millionenstadt Mexico-City. Der ältere Vulkan Iztaccíhuatl dagegen schläft friedlich an seiner Seite. Wir erhalten noch einen Warnhinweis, Stufe 2, dass el Popo in den letzten 24h noch aktiver sei, vermehrt Emissionen, wie Gase, Asche und Lava spukt. Masken seinen zu tragen. Und wir nächtigen heute an seinem Fusse. Wir fühlen uns sicher. Seit zwei Tagen sind wir hier oben und die Luft ist so klar wie in den Schweizer Bergen (nur dünner). Auch im Visitercenter auf dem Paso de Cortés geben sie uns Entwarnung. Gute Nacht auf 3700 Metern Höhe neben der Polizeistation. Am morgen wachen wir durch die Geräusche von stampfenden Füssen auf. Die Mannschaft der Polizei absolviert ihr morgendliches Fitnesstraining. Sie umrunden den Horu im Laufschritt, machen Liegestützen, heben Hanteln und exerzieren. Es ist gut zu wissen, dass man von einer fitten Polizeieinheit bewacht wird.

Iztaccíhuatl 10.03.2023

Am Donnerstag haben wir uns mit unseren Guides Kayu und Michel von HGMexico in La Joya auf knapp 4000 Metern verabredet. Wieder fahren wir die Naturstrasse vom Paso de Cortéz durch die wunderschöne Nationalparklandschaft hoch. Wie es der Zufall will, fahren Kayu und Michel, von Mexico City kommend, genau in der Fahrspur hinter uns. Zur Begrüssung gibt es nachmittags um zwei Uhr eine deftige Suppe und gleich geht’s los zum Einlaufen. Die beiden wollen wahrscheinlich ein Augenschein von unserem körperlichen Zustand nehmen. Ich glaube, wir haben den Test bestanden. Wieder zurück beim Auto, passen wir Steigeisen, Helm und Sitzgurt an, packen unsere Rücksäcke und verkriechen uns in unser Dachzelt. Nachtruhe ist heute um Sandmännchenzeit, nämlich um 19:00 Uhr! Und schlaft recht schön. Unsere Gute-Nacht-Geschichte geht folgendermassen: Direkt neben dem Popocatépetl liegt der (die) Iztaccihuatl. Im Volksmund wird dieser Vulkan “schlafende Frau” genannt, weil seine drei Gipfel wie das Profil einer liegenden Frau aussehen. Die Legende besagt, dass der Vulkan Iztaccihuatl einst eine Prinzessin war. Sie starb kummervoll im Glauben, ihren Angebeteten in einem Kampf verloren zu haben. Dem war jedoch nicht so. Und als ihr Geliebter wohlbehalten in die Heimat zurückkehrte und die tote Prinzessin sah, starb er ebenfalls aus Kummer. Daraufhin wurden beide von den Göttern in Berge verwandelt und mit Schnee bedeckt. Doch zurück ins Diesseits: Klopf, klopf, klopf, es ist morgens um 00:30 und Zeit zum Aufstehen. Ich habe mich nicht verschrieben! Wir haben kaum geschlafen, aber das Adrenalin lässt uns den nächtlichen Tag schnell in Angriff nehmen. Mit Stirnlampen an den Helmen, laufen wir um 01:30 Uhr in die Nacht hinaus und kommen gut voran. Mein erstes Foto entsteht rund eine Stunde später beim Portillo 1. El Popo bei Nacht. Wir steigen weiter an zum Portillo 2, 3 und 4. Endlich kommen wir im Refugio an, eine blecherne Schutzhütte im Fels. Wir verkriechen uns kurz vor dem Wind in die Hütte, essen Schweizer Schokolade, wecken noch ungewollt einen Bergsteiger, welcher sich unter seiner goldenen Schutzfolie bemerkbar macht und machen uns dann weiter auf den Weg. Jetzt geht es steil bergauf. So steil, dass wir uns auf allen Vieren fortbewegen, Höhen- für Höhenmeter, bis wir das erste Knie der Schlafenden Frau, «La Primera Rodilla» erreichen und damit auch unser erstes Mal die 5000-Meter-Grenze knacken. Die traumhafte Aussicht über das nächtliche Mexiko City auf der einen Seite und Puebla auf der anderen Seite, lassen unsere Herzfrequenz in der dünnen Luft noch höher schlagen. Es ist kalt, sehr kalt. Der Wind lässt uns die Temperaturen noch kälter fühlen. Man würde denken, nur noch 200 Höhenmeter, dem ist aber leider nicht so. Vor uns liegt noch «La Segunda Rodilla», «El Monte de Venus» und «El Pecho», der eigentliche Gipfel. Also ein Auf und Ab. Wir liegen aber immer noch gut in der Zeit und sind zuversichtlich, dass wir die Herausforderung nicht nur physisch, sondern auch mental durchstehen. Michel hat sich bereits bei der «La Primera Rodilla» verabschiedet und hat den Rückweg angetreten. Den Grund dafür wissen wir nicht. Wir sind zu stark mit uns beschäftigt, wir werden ihn in La Joya wiedersehen. Vor unserem letzten Anstieg heisst es noch, einen Gletscher zu überqueren. Wir suchen uns eine windstille Stelle, damit wir mit unseren starren und kalten Fingern die Eisen montieren können. Das Gehen auf dem schroffen Eis geht sehr gut, nur bitte nicht hinfallen! Und nochmals einen letzten mühsamen Anstieg mit den Eisen an den Füssen, über gefrorenem Sand und Fels, bis wir den Grat zum Gipfel erreichen, welcher nur noch moderat ansteigt. Wir haben es geschafft! Überglücklich, aber frierend umarmen wir uns. Um 09:15 Uhr wirft die Sonne ihre wärmenden Strahlen auf unsere glücklichen Gesichtern, aber der Wind lässt uns nicht lange auf dem Gipfel verweilen. Wir machen uns auf den Rückweg, ein neuer Weg nach unten. Es gibt ein paar knifflige Stellen, wie z.B. eine Traverse über den Fels, wo ich weder voran, noch zurück komme, da ich mit meinen Füssen nirgends Halt finde. Kayu stützt meinen Schuh mit seinem Stock, Sam ist hinter mir. Es gibt nur eins, rückwärts in der Hocke. Sam hat noch den besseren Standplatz als Kayu und macht mir nochmals einen Hilfstritt. Mir bleiben nur drei Möglichkeiten: Ausflippen, Ausrutschen oder ruhig und kontrolliert bleiben. Ich entscheide mich für Letzteres, was auch das Beste ist. Der Rückweg gestaltet sich mühsam und langwierig über Felsblocks und steil bergab. Die grosse, körperliche Anstrengung ist gewichen, aber der Kopf ermüdet eben auch. Die Koordination beim Bergabgehen lässt etwas zu wünschen übrig. Fazit: ein Doppelbruch meines Stocks (zum Glück keine Knochen). Wir kommen in La Joya an, treffen auch wieder auf Michel. Es ist nachmittags um zwei. Wir fahren noch zurück zum Paso de Cotéz und steigen am helllichten Tage in unser Dachzelt, um einfach nur zu schlafen. Es war ein anstrengender Tag (und Nacht).

Puebla 11.03.2023

Unsere Weiterfahrt führt uns über Puebla, wo wir auf einem Campground im Stadtteil Cholula für zwei Tage stehen. Von hier aus können wir bequem die Pyramiden erreichen. In Cholula wurden erste Besiedlungen ab dem 3. Jahrhundert v. Chr. nachgewiesen. Von einem unbekannten Volk wurde mit den Arbeiten am besagten Tempel-Pyramidenkomplex begonnen, dem «Quetzalcoatl». Mehrere Jahrhunderte lang bis ca. 700 n. Chr. bauten verschiedene Völker daran. Die Pyramide wurde alle 52 Jahre erweitert. Die Zahl 52 hatte in den mesoamerikanischen Kulturen eine besondere Bedeutung und lässt sich in vielen Bereichen wiederfinden.
Die erste Pyramide, welche aus Lehmziegeln gebaut wurde, hatte eine Seitenlänge von 190 m und eine Höhe von ca. 34 m. Sie war genau, wie die etwa zur gleichen Zeit in 100 km Entfernung errichteten Pyramiden von Teotihuacán, um 17 Grad in nordöstlicher Richtung ausgerichtet.
Die letzten Überbauten im 8. Jahrhundert mit der Endgrösse von ca. 450 × 450 m wurden im Talud-Tablero-Stil errichtet, was auf eine starke Verbindung zu den Erbauern der Teotihuacán-Anlage schliessen lässt, weil dieser Baustil dort dominiert. Das vorhispanische Bauwerk hat ein beachtliches Volumen von etwa 4,45 Mio. Kubikmetern. Allerdings ist es mit der jetzigen Höhe von 66 m deutlich kleiner als die Cheops-Pyramide in Ägypten und auch 4 m niedriger als die Sonnenpyramide in Teotihuacán. Die Ausgrabungen zeigen jedoch, dass sie früher höher gewesen sein muss. Die oberste der vier Plattformen, auf der jetzt eine Kirche steht, ist sehr gross und auch die untersten Stufen liegen noch einige Meter unter dem heutigen Erdboden.
Ab dem 8. Jh. verzeichnete die Stadt, gleich wie in Teotihuacán, einen drastischen Bevölkerungsrückgang. Die Pyramide wuchs teilweise zu. Nach der spanischen Eroberung wurde im 16. Jahrhundert auf der Pyramidenspitze die Kirche «Iglesia de Nuestra Señora de los Remedios» errichtet. 1804 bestimmte Alexander von Humboldt vor Ort die Höhe und geographische Position der mehrfach überbauten Anlage.
Es ist Sonntag, und wir lassen uns mit dem Uber Taxi ins historische Zentrum von Puebla de los Angeles fahren. Puebla hat den Charakter einer Kolonialstadt bewahrt, mit einem prachtvollen Hauptplatz, mächtigen Gotteshäusern und historischen Herrenhäusern. Rund 1.5 Millionen Einwohner zählt die Metropole heute. Mit dem Ballungsraum sind es rund 3 Millionen Bewohner. Wegen dem Fehlen von höheren, mehrstöckigen Häusern, erstreckt sie sich über eine relativ grosse Fläche. «La Catedral de Puebla» ist unser Ausgangspunkt. Die Kathedrale des Erzbistums Puebla de los Ángeles ist der Unbefleckten Empfängnis Maria geweiht und trägt zusätzlich den Titel einer «Basilica minor». Die im Herrera-Stil errichtete Kathedrale ist als historisches Denkmal geschützt und zentraler Teil des UNESCO-Welterbes der Altstadt von Puebla. Wir schlendern durch die Gasse der bunten Frösche, wo wir links und rechts in die Räumlichkeiten von mexikanischen Antiquitäten spähen. Weiter geht’s zum Parian Markt. Hier gibt es überall so viel farbefrohe Märkte, dass wir das Gefühl haben, das historische Zentrum besteht aus einem einzigen Grossmarkt.

Um 15:30 Uhr öffnet der «Templo de San Domingo» seine Kirchentore. Wir wollen die ersten vor dem grossen Ansturm sein. Diese bedeutende Kirche gehörte ursprünglich zu einem Dominikanerkloster und liegt ebenfalls im historischen Zentrum. Die dazugehörige «Capilla del Rosario» (Rosenkranzkapelle) gilt als das grösste Juwel des mexikanischen Barock und wurde einst als achtes Weltwunder angesehen!
Die Kapelle hat die Form eines lateinischen Kreuzes, aber mit sehr kurzen Querarmen. Der überwältigende Eindruck des Inneren entsteht durch die vollständig mit üppigen Ornamenten aus vergoldetem Stuck und Holzschnitzereien auf weissem Grund geschmückten Wände und Gewölben. Der Stuck basiert auf einer Masse aus Mehl, Eiweiss und Wasser mit Auflagen aus 24-karätigem Gold. In dem kunstvollen Geflecht aus teilweise pflanzlichen und teils abstrakten Ornamentformen erscheinen ausserdem zahlreiche Engel und andere symbolische Figuren. Ganz oben im Gewölbe des Kirchenschiffs befinden sich die Allegorien der drei christlichen Tugenden: Glaube, Hoffnung und (Nächsten-)Liebe. Um einiges reicher, verlassen wir die Kirche und lassen uns vom Besucherstrom der Märkte draussen weitertreiben.

Oaxaca 13.03.2023

Wir verbringen zwei Tage am Stadtrand von Oaxaca auf einem Campground. Von hier aus gehen wir erst einmal etwas Essen. Von unseren Platznachbarn bekommen wir einen spontanen Tipp, welcher sich wirklich als hervorragend entpuppt. Ein Outdoor-Museum, bei dem aber das Thema nicht ersichtlich ist. Schöne Gartenanlage, antike Autos im Garten, Holzfiguren, Jagdutensilien, Antiquitäten etc. Und, das Wichtigste, ein herausragendes Essen in dieser Kulisse, für mich gibt es sogar Gemüse! Am Folgetag gehe ich wieder einmal joggen. Mit dieser Aktivität kann ich die Gegend am besten auskundschaften; natürlich auf einen gewissen Radius beschränkt. In einer Grünanlage sehe ich von Weitem schon den «Arbol del Tule». Der Riese ist eine etwa 1400–1600 Jahre alte Mexikanische Sumpfzypresse (Taxodium mucronatum). Mit dem Durchmesser seiner Stämme von 14,05 Metern ist er der dickste bekannte Baum der Erde. Er soll das grösste Lebewesen der Erde sein.
Der „Baum von Tule“ soll eine Höhe von 41,85 Metern und ein Gewicht von 636 Tonnen haben. In Bodennähe beträgt sein Umfang 46 Meter.
Einer Zapoteken-Legende nach, wurde der Baum vor 1400 Jahren von Pechocha, einem Priester des aztekischen Gottes Ehecatl, gepflanzt. Auch heute noch befindet sich ein (inzwischen christliches) Heiligtum, die Kirche «Santa Maria del Tule», in der Nähe. Der Baum hat den Spitznamen „Baum des Lebens“ bekommen, weil Ausformungen seines knorrigen Stamms als Tierfiguren gedeutet werden können.
Natürlich machen wir noch einen autonomen Altstadtumgang. Hungrig gehen wir dem kulinarischem Tipp unseres Sohnes Patrick nach, und machen die legendäre Streetfood-Latinamerica-Bude «Las Tlayudas la Chinita» ausfindig. Der Tipp ist ein Knaller, obwohl wir hungrig warten müssen, bis die Bude abends um acht an einer Strassenecke seine Zelte aufschlägt. Zum Glück sind wir aber rechtzeitig da. Nur schon das Aufstellen der Bude ist ein Spektakel. Dann das Zuschauen, wie ca. 10 flinken Mexikaner/Innen die Tlayudas koordiniert und in Windeseile herstellen. Wir ziehen die Warte-Nr. 9 und gedulden uns ca. 20 Minuten bei bester Unterhaltung. Die Wartezeiten können sich zu später Stunde bis auf 90 Minuten ausdehnen. Check it out: Las Tlayudas de Netflix, Oaxaca.
Am nächsten Tag geht unsere Fahrt (immer noch vollgeg(fr)essen weiter Richtung südlichem Pazifik. Das Meer von San Augustin lockt uns. Wir fahren um 12.00 Uhr los, wie sich später (im Dunkeln) herausstellt, etwas zu spät. Die Strecke zählt zwar nur 244 km, unser Navi bestätigt die Strecke mit 4 Std. 8 Min. Wir brauchen 8 Stunden (ohne Pause)! Die Strasse führt über die MEX 175, und diese schlängelt sich über Tausende Kurven auf und ab und wieder auf und damit wieder ab. Es müssen insgesamt über 2000 Höhenmeter bis runter zum Meer sein. Die Landschaft in den Bergen erweist sich aber als wunderschön. Die Vegetation ist fast etwas jungle-artig, mit schönen Pflanzenmarktständen psychedelischen(?) Waldpilzständen entlang der Strasse. Die Tageslichtzeit nähert sich beängstigend Nacht an. Ein Übernachtungsplatz bei einer Kaffeeplantage erweist sich als impossible. Samuel entscheidet sich für die Weiterfahrt bis zum Ziel – Dunkelheit hin oder her. Natürlich gibt mir das wieder einen Schmollgrund auf dem Beifahrersitz. All meine klugen Alternativen weist er von sich. Ich sehe ein, Schmollen nützt in dieser Situation nichts, ich stehe ihm also bei. Denn, vier Augen sehen mehr als zwei, auch wenn ich unter femininer Nachtblindheit leide. Ich kündige jede Kurve, jeden Hund, jeden Fussgänger und jede Strassentopes an. Die Fahrt ist mit seinen unzähligen Kurven unendlich, aber die Topes halten uns wach. Zum Schluss kommt noch der krönende Abschluss mit einer Gravel Road. Glücklich erreichen wir unseren Kanadischen Campground in San Augustin und werden von John und seiner Frau herzlich empfangen. Auch wenn der 6-Sites-Campground voll ist, findet John ein Plätzchen für unseren Horu. Ufff….auch Einkaufen völlig vergessen. Morgen kann ich mit Johns Frau mit zum Einkaufen in die nächste grosse Stadt (die wir bei Dunkelheit schon kennen). Sie möchte zwar noch zum Hardware-Store, Furniture-Store, Lunch etc….. . Ok, ich mach morgen einen Weiber-Tag.

San Augustin 15.03.2023

John und Hannelle sind wirklich wunderbare Gastgeber. Aus Hannelle’s Garten erhalten wir täglich baumfrische Mangos, Papayas und buschfrische Bohnen (chinesische!). Auch unser Weiber-Einkaufstag zusammen mit Yvette gestaltet sich originell. Mit dem RAM-Truck fahren wir in die Stadt. Besuchen div. Eisenwarenläden (drei weisse Exotinnen in der Männerdomäne), den Zementplattenhandel, Papeterien und Gemüsehandel und schlussendlich noch den gewohnten Chedraui-Allwarenladen, wo ich dann alle beide im Gewühl verliere. Ne volle Stunde suche ich nach ihnen, aber dennoch amüsiert sich Karin köstlich, ich komme mir vor, wie in Pankow. Endlich ein Wiedersehen, nachdem ich den Securities schon unangenehm aufgefallen bin. Wir beladen den RAM, und ich finde schlussendlich beinahe keinen Platz mehr, brauchte mich auch nicht anzugurten, weil ich schon zwischen Zementplatten, Kühltaschen und Sonstigem gut fixiert bin.
Es ist wieder ein heisser Tag, der sich nur am und im Meer aushalten lässt. Es ist Samstag und somit Wochenende. Die Mexikaner zieht es an solchen Tagen Car-weise an die abgelegensten Strände, so auch heute. Sie legen sich ins Wasser, umringt von aufblasbaren Überwasserhilfen in allen mexikanischen Farben und diejenigen der Süsswarenläden. Sitzen dann wieder in den Strandbeizen und essen, essen, essen. Nicht nur ihre Tacos und Meeresfrüchte, nein, auch undefinierbare Cocktails, süss, oder salzig? Crevetten oder Insekten oder Früchte, eingelegt in Chilisauce? Keine Ahnung, aber spannend. Wir nutzen die lazy Zeit, denn jede Bewegung heizt wieder um ein paar Joules auf. Wir sind in unbewegter Beobachtungsposition und nippen dabei höchstens am Strohhalm unserer Kokosnuss. Einfach herrlich. Heute essen wir mit Yvette und Rolf, dem schon erwähnten, liebenswürden Schweizer Lebensgemeinschafts-Paar, vereint aus Bern und dem Rheintal mit einer Appenzelle Autonummer. Rein optisch haben wir ihr Fahrzeug zuerst als Amerikanischen Ford eingeschätzt, aber sie tragen jetzt auch einen verräterischen und vaterländischen Aufkleber. Die Frage stellt sich nur: Ambulancia o Suiza?

Cañon del Sumidero 21.03.2023

Unsere längere Fahrt von San Augustin zum Cañon del Sumidero fordert uns eine Übernachtung an der Playa Brasil ab. Zum Glück! Hier können wir bei einem Strandrestaurant etwas Kleines essen und haben hier gleichzeitig einen Übernachtungsplatz. Wir sind die einzigen Gäste. Da sitzen wir also, bei Bier und Limonade, als Sam eine Bewegung, 30 Meter vor uns im Sand wahrnimmt. Tatsächlich, eine Meeresschildkröte, die uns endlich live vorzeigt, wie eine Eiablage vor sich geht. Wir nähern uns vorerst von hinten, da sie sich dann nicht gestört fühlt (hat uns der Restaurantbesitzer so erklärt). Langsam und mühselig gräbt sie mit ihren Vorderflossen- /schaufeln das Nest wieder zu, legt intermittierend immer wieder Eier ab und gräbt wieder. Endlich ist sie mit der Eiablage fertig und hat gleichzeitig ihren schweren Körper wieder an die Oberfläche gearbeitet. Auf ihrem Rückmarsch ins kühle und sich auch wieder schwerelos anfühlende Meer können wir ganz nah an sie heran. Sie lässt sich durch uns auch nicht stören. Und da geht und schwimmt sie auch wieder zurück in ihr zurückgewonnenes Element. Für ihre Nachkommen hat sie den Pazifik durchschwommen, um ihren schweren Körper bei 35 Grad irdischer Temperatur an Land zu schleppen und um ca. 100 Eier abzulegen, aus welchen 60 Tage später ihre Nachkommen schlüpfen. Nur eines der kleinen Kreaturen wird die lauernden Gefahren an Land, aus der Luft und im Wasser überleben. Und doch funktioniert dieser Ablauf bereits seit 250 Mio. Jahren, ohne physische Veränderungen dieses Reptils. Wie lange noch?
Nun aber zum Cañon del Sumidero: dieser Canyon windet sich in einer 1000 Meter tiefen und 25 km langen Schlucht durch den Bundesstaat Chiapas. Dieses Naturwunder, für welches der mächtige Rio Grijalva verantwortlich ist, war nicht umsonst in der Auswahl der neuen 7 Weltwunder der Natur.

Nach unserer Übernachtung am Boat Launch Parking sind wir bereit für unsere Bootstour. Die Entstehung der Schlucht begann bereits vor 35 Mio. Jahren, also etwa gleichzeitig, wie der Grand Canyon in Arizona (s. unser Blog) Das umliegende Gebiet stellt der Nationalpark «Cañon del Sumidero» dar, in welchem Krokodile und Flussschildkröten leben, welche sich auf den Felsen und Sandbänken sonnen. Die Schlucht wird nördlich durch den 1981 fertiggestellten Chicoasén-Stausee begrenzt. Einer der grössten Stauseen Mexikos, dessen Staumauer eine Höhe 261 Meter aufweist und somit zu den 15 höchsten der Welt gehört. Während der Eroberung des Hochlands durch die Spanier sollen sich hunderte Frauen und Kinder vom Maya-Stamm der Chiapa in den Canyon gestürzt haben, um sich so der Versklavung zu entziehen. Der Stamm der Chiapa ist nachfolgend ausgestorben.

San Cristóbal de las Casas 22.03.2023

Hoch oben im Nebelwald von Chiapas, auf fast 2000 Meter über Meer, einbettet in eine sanfte Hügellandschaft, liegt die alte Kolonialstadt San Cristóbal de las Casas. Der geschäftige Ort ist auch eine Art Hauptstadt und wichtiges Handelszentrum der in der umliegenden Bergwelt lebenden indigenen Bevölkerung. Seit etwa 500 Jahren verfolgt es sein eigenes Schicksal, fast isoliert von der Aussenwelt, wie auf einem anderen Planeten. Einerseits sieht man weiss getünchte Gebäude mit den vorstehenden, roten Ziegeldächern, Andererseits die farbenfroh renovierten Fassaden der Kolonialhäuser und mit Blumen geschmückte Innenhöfe. Schmale, gepflasterte Strassen durchkreuzen die Stadt. Über Jahrhunderte hat San Cristóbal sein unverwechselbares, koloniales Ambiente beibehalten. Trotz seiner Grösse mit gegen 250’000 Bewohnern, ist es eine kleine, verschlafene Stadt geblieben, mit einer äusserst reizvollen Atmosphäre. San Cristóbal offenbart sich uns in drei parallelen Städten. Einerseits die touristische Seite, der offensichtliche Charme der Stadt wirkt wie ein Magnet auf Reisende aus aller Welt. Dann die Monotonie des Alltags der Stadtbewohner und andererseits die verheerende Armut der indigenen Bewohner in den Aussenbezirken und den umliegenden Gemeinden. Das indigene Mexiko ist im Hochland von Chiapas besonders tief verwurzelt, eine Mischung von kolonialer Vergangenheit und indigener Gegenwart. Es sind genau diese Leute, die das Stadtbild prägen. Die indianischen Frauen, die in den Strassen barfuss gehen und an den Strassenecken handgefertigte Puppen und geröstete Erdnüsse beilbieten. Die alten Männer mit weissen Hosen, Leinenhemd und Gummi-Reifen-Sandalen bekleidet. Die Maya-Kinder, die bettelnd die Touristen belagern, um das Einkommen der Familien aufzubessern. Dann die andere Welt gleich nebenan: Wir verlaufen uns in ein Schulquartier. Der Schulunterricht muss eben zu Ende gegangen sein. Die Kinder kommen uns lutschend an Eiscrèmes, sauren Nudeln, Süssgetränken aus Plastikbeuteln und undefinierbaren Kalorien entgegen. Vor der Schule sind doch tatsächlich mobile Süsswarenstände platziert, ähnlich einem Jahrmarkt. Mütter und Väter holen ihre Kinder ab, tragen ihnen den Schulrucksack (ebenfalls lutschend und latschend) hinterher. Andere holen ihre Kinder mit Autos (auch in den Autos wird allseits süss gegessen) ab. Als Fussgänger befinden wir uns inmitten diesem Verkehrsstau. Wir fühlen uns wie auf einer Kirmes, auf der Autoscooter Bahn umrahmt von Süssigkeiten, klebrigen Fingern und Zuckerschnuten. Zum Abschluss durchqueren wir noch die Kunstaustellung von Agustín Castro und Augustín Portillo. Ein gemeinsames Projekt zur Visualisierung mit dem Titel «Infancia Interruptus». Die Kollision zwischen verschiedenen Kulturen, der Industrialisierung und der Unterhaltungsmedien, vereint als Unterdrücker der Kindheit.
Müde kommen wir auf unserem Campground an und freuen uns auf den heutigen Italienischen Abend. Fabrizio ist mit seinem 4×4 Panda unterwegs und Damiano, ebenfalls Italiener, mit seinem VW-Bus aus Chile kommend, machen heute Pasta. Fabrizio durften wir schon in Cabo Pulmo, Baja California, zusammen mit seinem Vater treffen. Der Teig liegt schon auf dem Küchentisch bereit, jetzt muss er nur noch durch die Pastawalze (made in China). Es sind noch ein paar Backpacker-Innen mit am Tisch. Damiano kocht eine hervorragende Zucchettisauce, verfeinert mit Pfefferminze und Beerentomaten. Kaum zu glauben, aber er hat in Gstaad bereits Madonna bekocht. Das Essen schmeckt hervorragend. Ich steuere noch einen Schoggikuchen alla Omnia Ofen bei. Das einfache Rezept hat mir Yvette gesteckt (Nutella, Eier, Mehl Backpulver, etwas Kaffeepulver). Nutella macht beim Backen in Mexiko total Sinn: Die Butter ist schon mit drin und dadurch wird der Kuchen nicht durch die ranzige, mexikanische Butter ungeniessbar. Es ist wirklich so, seit Mexiko müssen wir auch auf unsere Konfibrötli verzichten. Der Kuchen schmeckt nicht schlecht, ein bisschen schief (Horu hat schief gestanden).

Auf dem Weg nach Palenque 24.03.2023

Wir verabschieden uns bereits um 08.00 Uhr von den verschlafenen Italienern und fahren los. Auf den Tip von Fabrizio planen mir noch einen Übernachtungstopp bei Aqua Azul, einem Kaskadenflusslauf des Rio Tulijá, circa eine Fahrstunde von Palenque entfernt. Die wegen Strassenblockaden berühmt-berüchtigte MEX 199 zeigt sich von seiner harmlosen Seite. Unsere vorbereiteten 50-Peso-Noten haben wir noch alle im Sack. Dafür belasten Hunderte von Topes unsere Bandschieben und auch Horus Blattfedern sowie die Bremsen. Das Getriebe langweilt sich zwischen zweitem und dritten Gang auf und ab. Endlich erreichen wir Aqua Azul, und uns bleibt noch genügen Zeit zum Baden und Herumhängen. Die Cascadas Agua Azul, passend getauft aufgrund des klaren, blauen Wassers, sind wahrscheinlich die attraktivsten und schönsten Wasserfälle in Mexiko. Im Bundesstaat Chiapas stürzt der Rio Tulijá über breite Steindämme in grosszügige Becken. Skandalös schäumt das Wasser weiss auf, um dann wie gezähmt als ein zartes Flüsschen die charakteristische Türkisfärbung anzunehmen und im Felsbecken zu verweilen. Mittels Dutzender grösserer und kleinerer Wasserfälle verliert der Fluss allmählich an Höhe und dringt weiter ein in den üppigen Tropenwald von Chiapas.

Palenque, die Maya-Stadt im Dschungel von Chiapas. Die im Regenwald eingenisteten Ruinen von Palenque sind der archäologische Höhepunkt in Chiapas. Die Architekten der Maya haben fantastische Tempel geschaffen.
Auf einem Hochplateau, am Fusse einer Hügelkette, und umgeben von tropischem, immergrünem Regenwald, liegt Palenque, die erhabene Ruinenstadt der Maya-Kultur. Dutzende Gebäude, Pyramiden und Tempel verteilen sich auf der Lichtung und liegen bis tief in den Dschungel von Chiapas noch weiterhin verborgen. Von allen Maya-Städten ist Palenque bestimmt eine der schönsten und faszinierendsten. Palenque existierte schon 300 vor Christus und erlebte seine Blütezeit jedoch erst zwischen 600 und 800 nach Christus, als religiöses und politisches Zentrum der ganzen Region. Die Architektur der Tempelstadt zeichnet sich durch ein Höchstmass an Perfektion aus. Die gewaltigen Gebäudestrukturen wurden im Verlauf der Jahrzehnte immer wieder erneuert und vergrössert. Die Steinmetze der Mayas schufen meisterlich gestaltete Reliefs und hochstehend elaborierte Skulpturen.
Der Tempel der Inschriften «Templo de las Inscripciones» erhebt sich majestätisch vor uns, umrahmt dem Regenwald und ist wohl das bekannteste Bauwerk von Palenque. Die Pyramide wurde gegen 690 vollendet und verdankt ihren Namen den eingeritzten Hieroglyphen. Erst bei der 1952 durchgeführten Ausgrabungen, stiess man im Innern des Tempels auf eine etwa 20 m lange Treppe, welche Zugang zu einer Krypta schaffte. Der Sarkophag in der Grabkammer wurde durch eine mehrere Tonnen schwere Kalksteinplatte verdeckt. Hier lag wahrscheinlich König Pakal, ein wichtiges Oberhaupt in der Geschichte von Palenque. Er war bedeckt mit Jadeschmuck und anderen wertvollen Gegenständen, eine wahrlich prunkvolle Bestattung und sonst unüblich in der Maya-Kultur. Ein Nachbau der Krypta und die kostbaren Fundgegenstände sind im Nationalmuseum für Anthropologie in Mexiko-Stadt zu bewundern. Hinten den restaurierten Bauten ist unsere Tour noch lange nicht fertig. Dank der Begleitung eines Führers dürfen wir in den unberührten Urwald. Hier verstecken sich noch unzählige Bauten unter dem Waldboden, von mächtigem Wurzelwerk der Urwaldbäume durchbohrt und dadurch leider zum Einbruch verdammt. Einerseits soll der Urwald hier im Nationalpark geschützt werden, andererseits fehlen wahrscheinlich die finanziellen Mittel für weitere Ausgrabungen und Restaurationen. Hie und da lassen eine sichtbare Treppe oder Mauer erahnen, welche kulturellen Schätze hier noch im Verborgen liegen. Am liebsten würde ich Machete, Schaufel und Hake zur Hand nehmen. Wer aber glaubt, hier im Urwald sei es etwas kühler, als auf dem sonnigen Platz, der täuscht sich. Die 36 Grad heissen Temperaturen, vermengt mit 90 Prozent Luftfeuchtigkeit, lassen uns an ein Dampfbad erinnern. Immerhin laufen wir 6 km über die vergrabenen Schätze, hie und da lachen uns Tukane und Affen hoch oben in den hohen Baumkronen aus.

Yaxchilán 26.03.23

Vor 33 Jahren war der Besuch dieser, im mexikanischen Regenwald gut versteckten Maya Ruine von Yaxchilán noch ein sehr abenteuerliches Unterfangen. Diese Strecke von Palenque nach Frontera Corozal, an der Grenze zu Guatemala, fuhren wir bereits 1990 in einem Mietauto, genauer gebeichtet, einem gelben VW Käfer, als zwei unverkennbare Gringos. Die Ruine war zu dieser Zeit noch nicht touristisch erschlossen Die Fahrt hierher führte noch über eine steinige Naturstrasse. Wir waren Stunden alleine unterwegs. Hie und da ein Coca-Cola-Lastwagen, hie und da einer (bewaffnet!), der seinen Anhänger querstellte, um uns auszurauben. Samuel musste den VW-Käfer in den Strassengraben fahren, um der gefährlichen Strassensperre zu entfliehen. Wir hatten auch ausdrücklich gefragt, ob wir mit diesem gemieteten Chäferli auch Offroad fahren können. Leider wurden die Kotflügel, bei unserer Flucht vor bösartigen Lastwagenfahrern, durch die Steinschläge von innen ausgehämmert, wie ein altes Kupferchessi. Heute ist alles anders. Die Strasse ist geteert und, bis auf hunderte der berüchtigten Topes, gut befahrbar. Grosse, landwirtschaftliche Flächen wurden dem Wald abgewonnen. Etliche kleine Siedlungen mit bescheidenen Holzhütten säumen die Strasse, welche in paralleler Linie der guatemaltekischen Grenze entlangführt. Nach etwas 2.5 Stunden gelangen wir in den Ort Frontera Corozal. Ich übersehe /-fahre zwei der Topes und streite mich nachher mit Sam über die Anzahl, er meint, es seinen sieben gewesen. Horu’s Aufhängung hat gehalten und wir übernachten in Frontera Corozal mitten in einem Hotelareal an einer Lagune. Das Tageslicht vertreibt die Nacht, und wir sitzen morgens um 07.00 Uhr mit schweizerisch-mexikanischer Pünktlichkeit (im Ernst!) im Boot. Endlich mal ein kühlender Wind; wir geniessen diese Frische, welche natürlich nur vom Fahrtwind vorgetäuscht wird. Wir wissen, dass bei Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit das Interesse an schweisstreibenden Besichtigungen schnell nachlässt. Ein zweiter Vorteil der frühen Vögel: die wunderschöne Maya-Stätte gehört uns ganz alleine. Yaxchilán war während der Klassik eine bedeutende Stadt und die dominante Macht in der Region Usumacinta. Die Stadt herrschte über andere kleiner Städte, wie Bonampak und war auch kurzzeitig mit Tikal verbündet. Mit der rivalisierenden Stadt Palenque führte die Stadt im Jahr 654 Krieg. Die Dynastie überdauerte bis ins frühe 9. Jahrhundert. Die grösste Macht hatte Yaxchilán während der langen Herrschaft von König Schild-Jaguar II, welcher nach erfolgreichen Machtjahren 90-Jährig verstarb.
Zwei Stunden sind beinahe etwas knapp. Gleich zu Anfang verlaufen wir uns im Labyrinth, wo sich nur die Fledermäuse im Dunkeln zurechtfinden. Im Licht der Handys getrauen wir uns vorsichtig weiter. Den Weg zurück glaube ich, in meiner morgendlichen Frische noch zu kennen und verlasse mich auf das Licht hinter mir von Sam. Doch plötzlich entweicht der Boden unter meinen Füssen. In einem Bruchteil einer Sekunde läuft vor mir der Film von Indiana Jones im Stockdunkeln ab, eine geheime Falltür, die sich öffnet und ich bin weg. Ich bin doch tatsächlich drei Stufen im Dunkeln geradeaus gelaufen, das war ein 0.7-Meter Fall auf Steissbein und Ellbogen. Der Ellbogen schmerzt höllisch, ist aber noch funktionstüchtig, also nichts gebrochen, auch kann ich keinen Splitter fühlen, aber sicher ein keiner Riss. Mein Steissbein reklamiert auch, muss aber in der Schmerzhirarchie das Nachsehen haben. Für eine halbe Stunde bin ich etwas down, Adrenalin und so, merke aber, dass Bewegung guttut. Trotz meinem kleinen Malheur geniessen wir unsere mystische Zeit in dieser wunderschönen Stätte, lassen uns von den Brüllaffen auslachen und schwitzen schon wieder Perlen. Mein Bettmümpfeli: 75 mg Voltaren Retard und Eis, am liebsten eine Badewanne voll.
Heute machen wir noch ein paar Kilometer um am wunderschönen Reforma Agraria am Rio Lacantún einen Schlafstopp einzulegen. Wieder werden wir hoch oben aus den Bäumen beschallt. Brüllende Löwen aus den Baumkronen? Nein. Brüllaffenfamilien. Diese bringen doch tatsächlich eine Lautstärke von über 100 dB auf die Skala. Stimmbänder alleine reichen dafür nicht aus. Sie besitzen eigens dafür auf der Stimmbandscheide ein zusätzliches Knochenteilchen. Diese Eigenschaft macht sie zu Pionieren in den Wäldern. Sie sind sehr anpassungsfähig, hören sich gegenseitig bis zu 16 km weit. Können damit Gegner vertreiben, ohne selbst zu flüchten und dabei kostbare Kalorien zu verbrauchen, essen sie doch nur Blätter. Es ist köstlich, diese Familienbande (für einmal lautlos) über unseren Köpfen zu beobachten, aber aufgepasst, nach dem Essen kommt die Verdauung, und die unterliegt auch der Schwerkraft!

Fazit 26.03.23

Wir sind unbeschreiblich froh, dass wir uns weder von Gerüchten noch Warnungen abschrecken liessen und vorbehaltlos das wunderschöne Land Mexico bereisten und näher kennen lernen durften. Jede Polizei- oder Militärkontrolle (wir wurden praktisch nie kontrolliert), lief korrekt ab. Niemals wurden wir genötigt, Geld in die Hand zu nehmen. Auch begegneten uns die Einheimischen immer sehr freundlich und hilfsbereit, mit Spanischkenntnissen, auch wenn’s nur un poquito ist, umso mehr! Ein überwiegend freundliches und offenes Volk, manchmal auch eigensinnig. Manchmal auf der Suche nach der eigenen Identität. Verehren auf der einen Seite die Wurzeln ihrer kulturellen Herkunft (Maya, Olmeken, Azteken,…), unterdrücken aber auf der anderen Seite die heute noch lebenden Indigenas, bewundern den nordamerikanischen Lifestyle, und können die Nordamerikaner dennoch nicht leiden (Gringo). Wir fühlten uns zu jeder Zeit willkommen und sicher. Vielleicht hatten wir auch ganz einfach Glück, aber, das braucht man bekanntlich weltweit. Nach über drei Monaten Mexiko haben uns unzählige Orte begeistert, und es gäbe noch Tausende mehr. Wir raten jedem, so viel Zeit wie möglich einplanen. Natürlich ist Mexiko ein Land, das viele Probleme hat, das lässt sich nicht schönreden. Dennoch hat es für Reisende mindestens doppelt so viele positive Seiten: Mexiko vereint freundliche Menschen, beeindruckende Natur, kulturelle Highlights, faszinierende Geschichte, tolle Metropolen und leckeres Essen (aber nicht für Vegetarier!). Was ist Gemüse? Was sind Früchte? Benötigt man Mineralstoffe oder gar Vitamine?
Nein, wenn es nach mexikanischer Küche geht. Mexico ist halt das Land der Tacos, mit Pollo, Res oder nur mit Queso. Scharfe Saucen und Limetten gibt’s immer dazu. Gemüse hingegen beschränkt sich auf Cebollas. Da fehlen dann schon ein paar Vitamine, Spurenelemente und Ballaststoffe. Fehlernährung und Übergewicht sind deshalb unter der Bevölkerung auch weit verbreitet. Mein Eisenmangel ist sicherlich etwas gestiegen, ebenso die Reserven.