Route 66 «Go West» 21.10.2022
Die Route 66 war ursprünglich eine fast 4000 km lange Fernstrasse von Chicago nach Santa Monica- Los Angeles, eine der ersten, durchgehend befestigten Strassenverbindung zur Westküste. Jedoch wird sie nicht mehr einheitlich als Route 66 bezeichnet; sie wurde durch die moderne, mehrspurige und kurvenarme Fernstrasse, dem Interstate Highway System angepasst . In vielen Navi-Systemen wird die Route 66 nur nach als Historic Scenic Byway aufgeführt. Welch ein Glück, eine der best erhaltenen und ohne Zweifel auch schönsten Strecken der Mother Road liegt vor uns, auf dem Weg nach Las Vegas. Die Strecke zwischen Kingman und Seligman. In Hackberry entdecken wir auf der rechten Seite eine, in die Jahr gekommene Tankstelle, ein General Store. auch als Route 66 Museum bekannt .Seit 1998 werden hier liebevoll Souvenirs und Memorabilien gesammelt. Hier stehen Unmengen von Fotomotiven zur Verfügung und an jeder Ecke gibt es wieder etwas Neues zu entdecken. In Seligman bleiben wir für einen Kaffee hängen. Mit viel Herzblut und Hingabe bedient Seligman die Erwartungen der durchreisenden Besucher. Bunt, schrill und kitschig, aber auch schön und informativ. Im „Seligman Historic Sundries“ kriegen wir den besten Kaffee seit Langem und werden dazu noch mit deutschem Akzent bedient. Uschi aus der Schweiz, mit ihrem deutschen Partner führen den nostalgischen Route-66-Shop. Uschi ist vor 40 Jahren ausgewandert, und trotzdem höre ich noch einen ausgeprägten Schaffhauser Dialekt aus ihren Erzählungen heraus. Was für ein Zufall: Nicht nur die Schweiz verbindet uns, sogar die gleiche Heimat: Schaffhausen. Wobei, Zufall? Sie fährt Harley, ich fahre Harley und dann die Route 66. Schnurgerade führt uns “The Mother Road“ weiter durch die Ausläufer der Mojave Wüste, bevor sich die Strasse hoch in die Black Mountains windet. Wir erreichen den Sitgreaves Pass mit traumhafter Aussicht Richtung Osten. Weiter geht es mit Burros und Wildwestromantik in Oatman. Das Dörfchen wäre beinahe zur Geisterstadt verkommen, nachdem 1941 der Goldabbau von der US-Regierung verboten wurde. Dank dem wachsendem Interesse an der Route 66 und der nahegelegenen Spielerstadt Laughlin ist das Städtchen heute beliebter denn je. Die Hauptattraktion in Oatman sind sicherlich die wilden Burros, die hier herumlaufen und von den Touristen gefüttert werden dürfen, selbstverständlich nur mit extra Futter, das verkauft wird. Es ist nicht viel los auf der, von
Las Vegas 23.10.2022
Wir verlassen Arizona durch die Weite der Mojave-Wüste in den US-Bundesstaat Nevada. Unser Ziel ist ein Campground im Zentrum Las Vegas‘. Wir haben das Ziel schon vor Augen, jedoch sind sämtliche Einfahrten gesperrt. Laute Live-Musik beschallt uns, Polizei, Umleitung, von alledem hatte unser Navi keine Ahnung. Wir fragen uns durch, bis wir beinahe auf die Konzertbühne fahren. Der Campground ist infolge des Festivals geschlossen. Ad Hock disponieren wir um und finden noch einen Platz, 5 km ausserhalb des schrillen Strip‘s entfernt. Nichts Schönes, aber alles, was wir brauchen und Uber klappt hier wunderbar, 5 Sterne sind nicht übertrieben. Unser erster Kulturschock beginnt, als wir am „The LINQ Hotel“ abgesetzt werden. Wir gehen zur Hauptstrasse, der Lebensader der Stadt, dem sogenannten „Strip“. Mit knapp 6,5 km Länge empfiehl es sich, zuerst die eine Seite zu erkunden, dann die andere. Quirlig, laut, farbig und überflutend führt der Weg über Passarelen, durch Hotels und deren Spielcasinos. 24 Stunden, 7 Tage sind die Strassen vollgepackt mit Musik, Menschen, Homeless, Cannabis, Uringeschmack im Wechsel mit schweren Parfums, kostümierte Lockvögel alla Copa Cabana, fahrenden LED-Leuchtreklamen. Das Party-Dancefloor-Leben spielt sich hier direkt auf der Strasse ab. Die Drinks (ein Farbstoff-Alkohol-Cocktail) werden im Gehen aus 70 cm-Messkolben konsumiert, und abends um 19.00 höre ich auf der Toilette neben mir schon unangenehme Geräusche. Gleichzeitig spielt sich ein Elend im Untergrund der Glitzermetropole ab. Direkt unter den Luxushotels und den Kasinos existiert eine dunkle Parallelwelt. In ausgedehnten Labyrinthen aus Tunneln leben schätzungsweise 1500 Obdachlose, das Anti-Las-Vegas. Ein Szenario kurz vor dem Untergang der Menschheit. Der Mittelmeerraum mit dem Alten Rom ist hier schliesslich und endlich ebenso vertreten wie Venedig und Paris. Auf unserem Strip-Walk werden wir genötigt, durch das Hotel Venetian zu flanieren. Verrückte Lobby, eine Halle, überdeckt mit leicht bewölktem, blauem Himmel, halt wie in Venedig und nicht wie in der Wüstenregion von Las Vegas. Gondolieres fahren ihre Gäste durch die Kanäle, musikalisch von Vivaldi begleitet. Die ganze Szene ist etwas abgedunkelt, ich würde schätzen, 21.00 Uhr abends, 15. Juli, Canale Grande. Ich verliere die zeitliche und örtliche Orientierung. Mich überkommt ein etwas mulmiges Gefühl, meine Orientierung ist im Clinch zwischen Realität und Vision – Nein, ich bin total nüchtern, wahrscheinlich ist das der Grund. Am Abend geht’s gleich weiter mit dem „Impossible Live“ im MGM. David Copperfield unterhält uns mit einer seiner 600 Live-Shows in aller Welt. Seine Illusionsshow passt einfach genial zum heutigen Tag. Amerikanischer Humor, gepaart mit mystischen Zaubereien. Das Verschwindenlassen von Autos, Motorrädern etc. gehört immer noch zu seinen Hauptattraktionen. Beim Verlassen des Saals schaue ich, ob Sam noch da ist. Las Vegas, eine Stadt, die man sehen, hören und riechen sollte, allerdings nur für kurze Zeit.
Death Valley 26.10.2022
The Hottest, Driest, Lowest! Wir fahren Richtung Westen, wie könnte man dem Death Valley National Park keine Beachtung schenken geschweige denn, eine Wanderung. Der Nationalpark gehört zum UNESCO-Biosphärenreservat. 2011 wurde der Nationalpark als «International Dark Sky Park» anerkannt. Dieses Lichtschutzgebiet heisst seither auch «Death Valley International Dark Sky Park», eines der grössten derartigen Schutzgebiete in den USA und das zweitgrösste weltweit. Es liegt südöstlich der Sierra Nevada, zum grössten Teil in Kalifornien in einem der heissesten Gebiete der Erde. Die Rekordtemperatur wird am 10. Juli 1913 mit 57 Grad Celsius gemessen. Es ist auch der trockenste Nationalpark der USA, zudem liegt der tiefste Punkt des Tals, das Badwater Basin, 85.95 Meter unter dem Meeresspiegel. Diese Senke erkunden wir gleich an unserem ersten Tag. Ein Überbleibsel des vorzeitlichen Sees Lake Manley. Charakteristisch zeigen sich die sechseckigen Schollen in der Salzkruste. Unter unseren Füssen liegt noch nicht der tiefste Punkt, er soll einige Kilometer westlich liegen und verändert immer wieder seine Position. Aber die Salztonebene zu durchqueren ist gefährlich, die Salzkruste über dem Schlamm ist oft nur dünn und nicht genügend tragfähig. Unser Übernachtungsplatz ist am Eingang des Parks, wunderschön gelegen, aber in der ersten Nacht auch ganz schön windig und – etwas zu kalt für meinen Geschmack. Am nächsten Tag machen wir eine wunderschöne Wanderung durch den Golden Canyon. Diese führt uns durch farbige Täler, welche sich durch die goldenen Badlands schlängeln. Wir kombinieren unsere Wanderung noch mit dem Badlands Loop. Die Temperaturen Ende Oktober sind, jetzt ohne Wind, sehr warm, aber auch für eine längere Wanderung noch erträglich. Kaum vorstellbar, wie es sich hier im Sommer schwitzt. Wir lernen Barbara und Hannes kennen. Hannes ist sofort von unserer deutschen «SEF»-Autonummer angezogen, stammt er doch aus der Nähe von Scheinfeld. Die Enttäuschung steht ihm ins Gesicht geschrieben, als er erfährt, dass wir dort nur im Briefkasten wohnen. Trotzdem schlossen wir Freundschaft und genossen einen wunderschönen Death-Valley-Abend bei Sichelmond und geteiltem Lagerfeuer. Hannes hat 5 Stück Holz für 12 USD gekauft, wir 5 Stück für 10 USD – importiert aus Kanada! (logisch). Wir sehen die Beiden nochmals im Mosaic Canyon und verabschieden uns auf Wiedersehen in Baja. Unsere Fahrt führt uns weiter nach Lone Pine, ein Dorf am Fusse des Mt. Whitney. Mit 4421 m der höchste Berg der USA ausserhalb Alaskas (Denali 6190 m). Wir finden einen wunderschönen (etwas kälteren bis frischen) Platz hinter einem Rock mit fantasievoll eingearbeiteter Feuerstelle. Am nächsten Tag wollen wir zumindest die Hälfte des Mt. Whitney’s hochsteigen. Leider haben wir keine Ausrüstung für ein Biwak dabei, vielleicht liegt oben auch schon Schnee. So machen wir halt mal nur halbe Sachen. Wir sind gespannt.
Alabama Hills 29.10.2022
Wir wollen natürlich unbedingt dem Tipp von Barbara und Hannes nachwandern. Vom Whitney-Portal aus erkunden wir rund 1000 Höhenmeter spontan und ohne Permit, und deshalb mit schlechtem Gewissen im Rucksack. Die Wanderung ist wunderschön, führt an Bächen, Sumpfgebieten und Pinienwälder (die Lone Pine kommt erst über 3000 M.ü.M.) vorbei. Aus Zeitgründen und illegalem Begehen des Trails müssen wir auf dem Wanderschuhabsatz wenden. Das fuchst uns mächtig beim jedem Rückkehrschritt, so nahe am Berg und im Wissen, dass andere diesen weit im Voraus planen. Wir kümmern uns online um ein Permit (und ärgern uns wieder über fehlendes Internet, über die Recreation.gov-App, welche uns durch eine Permit-Lotterie führen will, welche total unverständlich ist, Day-Pässe sind keine mehr vorhanden. Wir finden noch einen 2-Tages-Pass mit Camping-Permit und buchen diesen. Der Aufpreis soll ein kleines Gift unsererseits für die App-Verbesserung sein. Wir schalten einen Erholungstag ein und fahren in die Alabama Hills. Die Gebirgsregion im Osten Kaliforniens ist Teil der Sierra Nevada, bekannt für bizarre, orangefarbene Granitbögen, sogenannte Arches. Dazu kommt noch die Lage am Fusse des Mt. Whitney. Selbst heute noch kein Standart-Ziel für USA-Reisende. Viele denken, Alabama Hills müsste irgendwo im gleichnamigen Staat der USA liegen. Weit gefehlt, der Ort ist gar nicht weit vom Death Valley entfernt Die Movie Flat Road führt inmitten durch die Alabama Hills. Mit Recht können wir behaupten, dass wir ganz selten eine Strasse gefahren sind, die wir dermassen schön gefunden haben. Die Aussichten hinter jeder Kurve, hinter jedem Hügel dort sind einfach atemberaubend. Wohl deshalb diente diese geniale Kulisse schon für über 350 Filme als Drehort. Mehrheitlich für Westernfilme, aber auch für Filme der neueren Generation wie Gladiator, Django Unchained, Postman oder Godzilla. Welchen Film loaden wir uns wohl als nächsten down? Django müssen wir uns jetzt unbedingt nochmals mit der «Alabama-Hills-Brille» anschauen.
Mt. Whitney 31.10.2022
Wir übernachten in einem Campground direkt beim Trailhead. Unser z’Nacht: Reis und schwarze Bohnen. Mein Wecker ist auf 04.30 Uhr eingestellt (erinnert mich irgendwie an die Arbeit zurück). Unaufgefordert werden wir bereits um 04.00 Uhr geweckt. Wahrscheinlich Art-Leidens-Wander- oder sonst welche – Genossen. Wir machen uns ein deftiges Frühstück und laufen um 05.15 Uhr im Lichtkegel unserer Taschenlampen los. Es ist noch dunkel, und um 05.30 Uhr musiziert schon mein Handy….Mein Wecker, rund eine Stunde zu spät gestellt! Es leben alle Genossen! Schon kündigt sich im Osten der junge Tag an und vergoldet die höchsten Bergspitzen. Die Sonne erhellt uns die Sicht auf mächtige Kiefern. Wir durchqueren Feuchtgebiete mit Weidenbüschen und treffen auf Berghühner, die der Kälte trotzen. Ein vereister Wasserfall lässt schon den Winter vor der Tür stehen sehen. Eine Stufe weiter oben blinkt im Kar das Seeauge des Mirror-Lakes, welches durch die dünne Eisschicht etwas angelaufen wirkt. Die aufstrebenden Granitwände und -blöcke erinnern uns etwas an unser Grimselgebiet zu Hause. Nach dem zweiten Trail-Camp geht die Spur nun mäanderförmig weiter zum Trauerest Pass. Dahinter präsentieren sich die gewaltigen Wände der Needels, der Consultation Lake und anschliessend der Mt. Whitney, welcher bereits etwas von Wolken ummantelt ist. Aber der langersehnte Gipfel scheint noch weit entfernt. Wir wollen eigentlich um 12.00 Uhr unser Ziel erreicht haben. Aus diesem Grunde machen wir keine Pause, nur Flüssigkeit und unser Smarties-Weinbeeren-Nüssli-Mix ist erlaubt. Die Müdigkeit und das endlose Ziel machen uns langsam zu schaffen. Nach einem kurzen Abstieg auf der rückseitigen Bergflanke mit anschliessendem Wiederaufstiegt folgt ein mühsamer und mächtiger Block- und Schuttrücken. Von meinem Rücken steigt ein brennender Schmerz ins Genick und in den Hinterkopf bis zur Stirn. Kopfschmerzen, wie ich sie schon einmal in Peru erleben durfte. Ich deponiere meinen Rucksack (der einfach nie leichter wird). Endlich entdecken wir die Schutzhütte. Wir sind glücklich und froh, nach sieben pausenlosen Stunden endlich oben zu sein. Ein überwältigender Rundblick zum Death Valley, dem ausgetrockneten Owens Lake, dem Teleskop Peak und im Süden dem ebenfalls 4000 Meter hohen Gipfel des Mt. Langley, tief unten die Hitch-Cock-Seen, jenseits der Bergzug Great Divide mit einigen, ebenfalls die Viertausender-Grenze überschreitenden Western-Gipfeln. Im Norden weitere Viertausender über die Palisadekette hin bis zum Yosemite Park. Unser erreichter Gipfel besteht aus einem Plateau, das sich gegen Osten jäh in einer ca. 600 m hohen Wand abbricht. Wir sind happy! Meine Kopfschmerzen aber zunehmend und ein langer Rückweg liegt noch vor uns. Genau diesen haben wir etwas unterschätzt. Die Höhenlage, die Müdigkeit, die Kopfschmerzen, keine Pausen und langsam schlotternde Kniegelenke. Jetzt gilt es noch, im Gesteinshaufen meinen deponierten Rucksack wieder zu finden. Ich habe diesen geschützt unter einem Felstisch gelegt. Finde ich diesen noch, jetzt aus der anderen Laufrichtung kommend? Dummerweise habe ich keine Markierung hinterlassen. Was, wenn wir schon vorbei sind? Immer wieder blicken wir beim Kraxeln über die Felsbrocken zurück, um ihn nicht zu verpassen. Was gar nicht so einfach ist und meinen Kopf erst recht nicht entspannen lässt. Auch ziehen von allen Richtungen immer mehr Wolken auf. Dies lässt uns an ein Erlebnis erinnern, welches ich hier nicht unbedingt erläutern möchte, die REGA fliegt eh’ nicht zum Mt. Whitney. Erleichtert erspähen wir meinen Rucksack, auch wenn mein Kopf etwas zwiegespalten darauf reagiert. Obschon es nur noch abwärts geht, empfinden wir den Rückweg fast als doppelt so lang. Wenn wir vor Dunkelheit bloss noch schaffen, den steinigen Trail hinter uns zu bringen. Die letzten zwei Stunden laufen wir in der Dunkelheit, die Lampen sind frisch geladen, aber schon überkommt mich eine nächste Eventualität: Was ist, wenn uns das Licht ausgeht? Powerbank haben wir zwar dabei, aber dann würde es noch später werden. Hinter uns hören wir auch noch zwei, drei Grüppchen. Mit aller Geschwindigkeit versuche ich, nicht überholt zu werden, damit wir noch eine Sicherheit im dunklen Rücken haben. Trotz meinen hämmernden Kopfschmerzen erhöhe ich meine Pace, was Sam natürlich mit Freude zur Kenntnis nimmt. Adrenalin trocknet meinen Mund aus und kommt meinen Kopfschmerzen positiv entgegen. Wir haben endlich unser zweites Ziel erreicht. Einerseits erfüllend und trotzdem, ich würde den Mt. Whitney in einem Tag nicht mehr machen wollen (… vielleicht mit Ponstan in Reserve), Sam hingegen schon. Ihr könnt selber entscheiden, wenn ihr mal in der Gegend der Alabama Hills seid. Wir fahren am nächsten Tag weiter, und kennen den Wetterbericht bereits seit einigen Tagen. Ab Morgen soll es einen Kälteeinbruch geben. Und tatsächlich färbt sich der Himmel über der Sierra Nevada dunkelgrau und lässt die Niederschlags- und Kältezone bis über die Viertausender das Tal erreichen, welches wir durchfahren. Unsere Übernachtung suchen wir wohlweislich noch bei Tageslicht aus (wenn man das bei dieser Sicht noch so nennen kann) und in der Nähe des HW. Tatsächlich fällt auf 2220 Meter schon Schnee, und der erste Schneepflug schnäuzt auch schon vorbei. Und währenddem ich diesen Bericht noch schreiben heisst es wieder: Starke Böen, Dachzelt schliessen und kuscheln auf engstem Raum, eine Etage tiefer. Am nächsten Morgen hat sich die Wetterlage etwas beruhigt, aber gegen Mittag kündigt sich genau in der richtigen Himmelsrichtung das nächste Tiefdruckgebiet mit dunkeln Wolken über der Sierra Nevada an.
Sacramento 03.11.2022
Am Morgen kündigt sich die Sonne über der verzuckerten Sierra Nevada «Azucarado» an, was aber noch nichts Gutes heissen soll. Die Pässe darüber werden wahrscheinlich geschlossen sein, was uns einen Umweg über Lake Tahoe nach Sacramento beschert (was aber auch Positives verheissen kann). Die zweite Kaltfront sehen wir schon durch unsere Frontscheibe auf uns zu kommen. Die Strasse führt uns immer wieder auf über 2400 M.ü.M., welche sich auf dieser Höhe sofort vereist präsentiert. Wir sind praktisch alleine auf vereisten Strassen, was uns aber auch mehr Raum für allfällige Schleuderpartien auf den Abfahrten bieten kann. Der Magen brennt, der Mund fühlt sich ausgetrocknet an, wieder ein Indikator für erhöhten Stresslevel. Kurz nach Lake Tahoe bessert sich die Strassenlage und damit auch mein Allgemeinzustand.
Wir erreichen unversehrt die Hauptstadt des US-Bundesstaates Kalifornien, hier treffen der Sacramento River und der American River aufeinander. Der Bezirk «Old Sacramento» erinnert uns mit seinen hölzernen Gehsteigen und angebotenen Wagenfahrten an die Goldrausch-Ära, welche uns auf unserer Reise schon seit dem Yukon verfolgt. Ursprünglich war Sacramento nichts weiter als ein riesiger Rastplatz für Siedler, auf der Suche nach einer neuen Heimat im Westen. Das Land gehörte damals dem Schweizer Pionier Johannes August Sutter, welches ihm unter dem Titel «Rancho Nueva Helvetia» auch von den Vereinigten Staaten von Amerika zugestanden wurde. Die Goldgräber zogen irgendwann weiter; ihre Legenden und Geschichten locken aber bis heute immer noch Besucher aus aller Welt an, natürlich auch aus Helvetien!
San Francisco 03.11.2022
Mit zweifacher Navigationsausrüstung fahren wir in die viertgrösste Stadt Kaliforniens. Im globalen Vergleich gilt sie aber nur als mittelgrosse Stadt. Ursprünglich war die Bucht von San Francisco durch den Indianerstamm der Muwekma Ohlone besiedelt. Dieser Stamm war bis zum 19. Jahrhundert beinahe ausgerottet. Im 16. Jahrhundert sollten zwei Expeditionen spanischer Eroberer den Norden Amerikas von der Westküste her erkunden. Die «Halbinsel zwischen Golf und Ozean» wurde durch Cortés entdeckt, California hatte er sie genannt. Die offizielle Entdeckung erfolgte aber erst 10 Jahre später. Viele Entdecker hatten aber schon früher die Region erkundet. Nur der Nebel verhinderte jeweils die Sicht auf die Meerenge der Bucht. Erste Europäer siedelten sich erst ab 1776 in der heutigen Stadt an. Die Stadt wurde später von Missionaren in Gedenken an Franz von Assisi in «San Francisco de Asís» umbenannt. Der spätere selbsternannte Kaiser der Vereinigten Staaten (ja! Kaiser!) und Schutzherr von Mexiko, Joshua Norton, wanderte mit 40’000 USD im Sack von Südafrika nach San Francisco aus. Den durch Grundstückgeschäfte erlangenden Reichtum, verspielte Norton bis 1859 vollständig. Er ist durch Spekulationen und Glücksspiele gescheitert und nun bankrott. Kühn, wollte er nun die Sache selbst an die Hand nehmen, ging zur Zeitung und ernannte sich am 17. September 1859 zum Kaiser von Amerika und Schutzherren von Mexiko. Unerwartet regierte er 21 Jahre lang und erliess kaiserliche Edikte. Erdbeben und Feuer sind ein trauriges historischen Kapitel in der Geschichte San Franciscos. Am 18. April 1906 verwüsteten ein Erdbeben und das anschliessende Feuer ganz San Francisco. Der Wiederaufbau begann, und in den 1930er Jahren wurden die Golden Gate Bridge nach Norden sowie die Oakland Bay Bridge nach Osten fertiggestellt. Die Bevölkerung wuchs weiter an. Treasure Island wurde eigens für die Weltausstellung 1939 aufgeschüttet. Hippie-Bewegungen, Summer of Love, Janis Joplin, Grateful Dead und Jefferson Airplane beeinflussen die Rockmusik weltweit.
Wir verbringen hier zwei Tage, unser Horu sicher (und teuer bezahlt) geparkt auf einem Campground im Nordwesten der Stadt. Parkplatzartig, aber für uns sicher und gut gelegen. Wir erreichen zu Fuss die Speedfähre, welche uns in 30 min direkt zum Pier in San Franzisco bringt. Der Hop-on-Hop-off Bus bietet uns wieder die beste Gelegenheit, bequem durch die Stadt zu hoppen. Das Wetter zeigt sich von der besseren Seite, die Temperaturen hingegen sind pazifisch kalt – bei der Überfahrt auf der Golden Gate Bridge – sehr, sehr kalt. In China Town gehen wir essen, wobei mir hier meine Spanisch-Lektionen überhaupt nicht hilfreich sind. Ich bestelle wieder einmal falsch und picke mir vorsichtig nur definierte Bohnen und bekannte Glasnudeln aus der unbekannten Umgebung heraus. Beim Verlassen des Lokals ist es bereits dunkel draussen. Eine tägliche Tatsache, die wir immer wieder ausser Betracht lassen. Sam mit vollem Bauch, ich mit halbvollem Bauch eilen wir zum Pier, damit wir mit Sicherheit die letzte Fährüberfahrt erwischen. In den Hallen ist es schon ruhig, die letzten Lokale schliessen. Die Ladenrollgitter rattern in Höchstgeschwindigkeit runter und verhallen in den hohen Räumen. Wir sind müde und frieren noch eine gute halbe Stunde in der dunklen Nacht, bis unser Fährschiff anlegt. Ich muss jetzt aufklärend sagen, es ist erst 20.00 Uhr! Diese tagsüber so belebte Gegend wirkt nachts gespenstisch und verlassen.
Santa Cruz 05.11.2022
Und weiter geht’s in den Süden über die Golden Gate Bridge, deren Farbe nicht rot, sondern «original orange» ist. Bis jetzt Horu’s Highlight auf all seinen Fahrten. In San Francisco über die Golden Gate fahren ist einfach ein Must! Der bekannte Nebel in der Bay zeigt sich von seiner obligaten Seite, egal, die Mystik muss sein. Wir fahren auf dem HW 1 nach Santa Cruz. Der Nebel inklusive Nieselregen vermiesen uns die traumhafte Sicht auf die Surfbuchten unter den steil abfallenden Klippen. Aber zahlreiche Surfer trotzen im Neopren der Kälte. Wir erreichen Santa Cruz nach zwei Stunden Fahrt. Wir möchten uns ein Bild machen, wo Patrick vor acht Jahren seinen TOEFL im Language Institut gemacht hat, bisher kenne ich nur die Surf-Logos auf seinen Pullis, welche ich beim Bügeln immer umkreisen musste. Wir wollen auch noch seine Gastfamilie treffen. Wir sind ihr sehr dankbar, bei ihr hat Patrick nach 18 Jahren Kartoffeln essen und lieben gelernt! Am nächsten Tag kontaktieren uns Marcel und Carmen aus unserm Nachbarkanton Aarau, ebenfalls mit einem Toyota Landcruiser unterwegs, eine gewisse Verbundenheit besteht also schon. Wir kannten sie bis anhin nur digital, sie sind eine Stunde von uns entfernt, und wir vereinbaren ein Blind Date zum Essen. Immer spannend, was die Leute zu einer Weltreise bewegt. Auf der Suche nach einem geeigneten Übernachtungsplatz schliessen sich noch Andy und Julia aus Hamburg an, mit einem Jeep gehören sie ja quasi auch zur Familie. Unser Campfire erlischt bereits räuchernd um 19.00 Uhr im Vollregen. So bieten wir unseren behaglichen Livingroom für einen Absacker an. Wir kuscheln zu sechst eng beieinander und können feststellen, dass noch zwei Personen mehr Platz hätten, evt. sogar vier. Vielleicht werden wir Andy und Carmen wieder im Joshua Tree National Park treffen, die Pläne sind die gleichen, aber die Zeiten ändern sich halt laufend (die Reisezeiten!). Los Angeles wollen wir bewusst auslassen. Der Aufwand und der Ärger lohnen sich für uns nicht. Ist halt immer Ansichtssache, aber wir haben genug Städte gesehen, was sich aber auch gelohnt hat. Wir bleiben in Pismo Beach hängen. Direkt am Strand. Wunderschön, und endlich wärmt uns die Sonne, welche wir aufsaugen, wie die Seelöwen am Strand. Die Männchen sind sich da übrigens schon im Alphatierkampf-Üben. Erste Rivalitäten und schaurige Verletzungen zeigen uns, wie grausam die Natur doch auch sein. Hier sind auch die grössten Muscheln an der ganzen Kalifornischen Küste zu finden (von Stinson Beach bis Bja California Sur in Mexico. Die «Pismo Clam» finden sich vor allem im Sand nach der Flut. 17,8 cm im Durchmesser, bei einem sehr langsamen Wachstum ist diese geschätzte 26 Jahre alt. Muscheln nehmen Wasser durch ihren Siphon auf, um aus dem Filtrat Nahrung zu gewinnen. Eine 10 cm grosse Muschel filtert in einem Lebensjahr sage und schreibe 20180 Liter um daraus 110 Gramm Nahrung zu gewinnen.
Joshua Tree Nationalpark 11.11.2022
Genau, ihr habt richtig gelesen. Los Angeles haben wir umfahren. Wir haben genug Städte gesehen, und schon die Agglomeration um L.A. strapaziert unseren Nerven. Wir umfahren die Stadt grossräumig nach Santa Barbara. Die Pacific Road Nr. 1-101 hat uns unglaublich gefallen. Ein meilenlanger Sandstrand schliesst an den Pazifik an, welcher sich durch spektakulär hohe Wellengänge an den Klippen des Kontinents entlädt. Danach folgt eine Übernachtung beim Walmart, was wir uns so wieder nicht gewünscht hätten; die Sonne verabschiedet sich bereits um 17.00 Uhr. Dafür haben wir uns am Morgen im Starbucks ein Frühstück gegönnt. Die warmen Choco-Croissants gepaart mit einem Capuccino medium gehören mittlerweile zu meinen Favoriten. Unser Timing für den Nationalparkbesuch ist wieder einmal glücklich auf das Wochenende gefallen. Aber wie sollen wir wissen, was für ein Wochentag heute ist, wir haben gerade mal die Tageszeit mit Zeitzonenwechsel, Winterzeit, Sonnenuntergang im Griff. Es gibt keine Campgroundplätze mehr im Park, so haben wir uns wieder einmal für das gute alte BLM-Land ausserhalb des Parks entschieden.
Die Monzogranit-Fromationen im Joshua Tree National Park entstanden, als Magna unter der Erdoberfläche abkühlte und erstarrte. Nach Millionen von Jahren wurde das Gestein durch Erosion an der Erdoberfläche freigelegt. Unberechenbare Regengüsse und klimatische Extreme haben hier ihre Spuren hinterlassen. Kahle Felsen herrschen vor, die in der Regel in einzelne Felsformationen aufgebrochen sind. Ebenso stossen hier verschiedene Ökosysteme aufeinander. Diese kalifornische Wüstenlandschaft bildet den Übergang zwischen den beiden Wüstentypen Mojave- und Coloradowüste, bedingt durch ihre unterschiedliche Höhenlage. Unterhalb von 900 m liegt im südöstlichen Teil des Parks die Colorado-Wüste, vorwiegend mit Buschland, Kakteen und Fächerpalmen. Höher gelegen und damit kühler und feuchter liegt die Mojave Wüste im Nordwesten. Hier ist auch die Heimat der Josua-Palmlilien, der Namensgeber für den Park. Sie werden auch Joshua Trees (engl.) genannt. Angeblich gaben Mormonen, welche die Mojave-Wüste zu Beginn der europäischen Besiedlung durchquerten, dem Joshua Tree seinen Namen; sie sollen in der Pflanze die Gestalt des Propheten Joshua (Josua) gesehen haben, welcher mit ausgestreckten Armen den Weg ins gelobte Land wies. Eine gerne erzählte Mär, für die es aber keine historischen Quellen zu geben scheint. Die Joshua Trees prägen heute das karge Landschaftsbild, in welchem rund 700 verschiedene Pflanzenarten bekannt sind. Ausserdem gibt es hier viele Wildtiere, wie das Wüstendickhorn-Schaf. Überraschend viele Vögel werden im Frühjahr und Sommer gesichtet. Ein Grund dafür ist wohl, dass der Park unmittelbar auf der «Pacific Flyway» bezeichneten Vogelroute liegt. Die Landschaft zieht auch viele Menschen an. Besonders Kletterer, die ihr Können an den bizarren Granitmonolithen unter Beweis stellen wollen und können. Wir erkunden den Park mit unserem Horu und machen einige kürzere Hikes um die Kletterfelsen und auf den Ryan Mountain. Das Klettern lassen wir wohl lieber bleiben. Der Granit fühlt sich an wie Schleifpapier mit einer Körnung von >6. Am dritten Tag fahren wir vom Nordeingang des Parks bis ganz nach Süden, vorbei an einem Garten mit tausenden Kakteen. Danach geht’s weiter Richtung Süden durch einen kilometerlangen Wash, ein zurzeit ausgetrocknetes Flussbett. Dann folgen wir dem Salton See wo wir uns 2 Tage im Fountain of Youth (!) RV Park vom heissen, schwefelhaltigen Quellwasser und von der Sonne verwöhnen lassen. Der Fountain of Youth braucht offenbar länger, um seine Wirkung zu zeigen. Falten und graue Haare sind auf jeden Fall nicht weniger geworden. Zwischen zwei heissen Bädern bereiten wir unseren Grenzübertritt nach Mexico vor. Unsere Aufenthaltsuhr in den USA tickt, und wir müssen nach bald einem halben Jahr das Land verlassen. Am 16. November soll es soweit sein, und es heisst, bienvenido a México!
Fazit
It was awesome! We love you! Zu Anfang waren wir etwas skeptisch, die USA gelangte denn auch nie an die Spitze der Auswahl unserer Feriendestinationen. Und jetzt aber Vollgas, einige Monate haben wir hier verbracht. Wir sind überwältigt, das Land bietet nicht nur unbegrenzte Möglichkeiten, sondern auch unbegrenzte Landschaftsbilder, Parks, Recreation Areas, National Forests, mit nichts zu vergleichen, was wir zuvor gesehen haben. Die unfassbare Weitläufigkeit hat uns in den Bann gezogen, das Gefühl von Freiheit kommt dabei ganz von selbst auf. Teilweise durchfuhren wir alle Klimazonen an einem Tag. Aufgestanden bei -5 Grad im Sequoia National Park, und bei knapp 40 Grad in Lone Pine angekommen. So endlos wie die Landschaften sind höchstens noch die Vorurteile gegenüber den US-Amerikanern, die wir mit viel Scham sofort begraben. Egal wo, ob in einer Grossstadt wie San Francisco oder in den kleinen Mormonen-Siedlungen in Utah, liegen nicht nur geographische, sondern auch soziale Welten dazwischen. Und trotzdem, wir sind überall freundlich und entgegenkommend empfangen worden. Diese Art wirkte auf uns zu keiner Zeit aufgesetzt. Die liebenswürdige Weise, seinem Gegenüber freundlich und offen gegenüberzutreten, ist einfach toll und sorgt für eine ganz andere Grundstimmung als Reserviertheit und Bedenkenträgheit. Die Menschen sind zwar oft konservativ, aber dennoch interessiert, offen und gastfreundlich. Amerika, wir kommen wieder und sind glücklich über unsere B1/B2-Visa.
Liebi Karin, liebe Säme,
Es isch eifach ungloubläch, was Dir aues erläbät uf öjer abentürlächä Riis.
Ganz härzlächä Dank für di ydrücklächä Reisebrichte u tolle Biuder.
Danke, dass mir öich uf öjer Riis dörfe begleite.
Liebi Karin, Dini schprudelndi, schpannendi, humoristischi Schribwys isch eifach dr Hammer.
Mir wünsche öich wyterhin viiu Glück, Früüd u tolli Erläbnis.
Blibet gsung.
Aerfeli u Drücki: Iren u Uele
Liebi Ämmitaler!
Ich höckle da grad im Starbucks und tue min nöchste Blogiitrag ufeschüsse. Zum Glück tueni fascht jede Tag schriebe und speichere. Ich glaub, wenni all das Erläbti müessti ussem Ärmel schüttle, wäri überforderet. Wiiterhin vil Spass bim Mitreise. Sämu hät grad d’Autoversicherig für Mexico abgschlosse, Endi November werdet mir d’Gränze passiere.
Liebi Grüess us Pismo Beach, Californie.
Karin&Sämu