North Casades National Park
Wir wählen eine Route, die uns nicht nur ‚Meilen-Brettern‘ beschert, sondern auch etwas für unseren Lifestyle. Nach Vancouver lassen wir den ersten Border nach den USA auf derjenigen Fahrspur, wo sich eine Kilometer lange Schlange gebildet hat, rechts liegen und wählen den unbekannteren Border in Sumas. Obwohl uns unser Navi repetitiv meldet, dass der HWY 9 nach dem Border gesperrt sei, ignorieren wir die Satelliten, da die Wegweiser uns keinen anderen Weg weisen. Über 60 km nervt das Ding, wir können es kaum glauben, obwohl wir die Route geändert haben. Wir erreichen auf regulärem Wege den North Cascades National Park und finden einen schönen Platz an einem kalten Gletscherfluss, welcher von insgesamt 130 Gletschern versorgt wird. Es ist ein Boot Lounge Platz, direkt neben dem ausgebuchten Campingplatz. Wie immer die bessere Wahl, iOverlander-sei-Dank! Am folgenden Tag stehen wir früh auf, um eine 15 km Gravel-Road zu unserem Trail Head zu erklimmen. Vor uns ein PW, der zurückrollt, alle Mitfahrer aussteigen lässt, und dann mit Anlauf die Schotter-Löcher-Steilpassage unter die Räder nimmt. Wir folgen ihm gemächlich und krabbeln locker im 2WD hoch. Wie Wanderung ist wunderschön, wenn auch zum grössten Teil durch den Wald. Fast oben angekommen, werden wir von einer wunderschönen Bergkulisse, welche zum Greifen nahe scheint und einem tiefblauen Bergsee überrascht. Den Thronten Peak wollen wir natürlich auch noch erklimmen, aber schon die erste Passage geht nur noch auf allen Vieren und dies an ausgesetzten Stellen. Die Zeit sitzt uns schon im Nacken. So steht Kopf über Ehrgeiz, und wir lassen die 2. Passage sausen (die haben dafür die Jungs mit dem Anlauf-PW gemeistert!).
Nach 18 km und 1300 Höhenmetern suchen wir uns einen Übernachtungsplatz und fallen müde ins Bett, d.h., wir steigen zu Bett. Nach einer ruhigen Nacht am North Cascades-HWY werden wir um 09.00 Uhr von einem roten Feuerball, welcher durchs Dachzelt flimmert, geweckt. Zuerst interpretieren wir diesen als Strassenlampe, merken aber, dass die rote Pfunzel im Uhrzeigersinn wandert. Auch fühlen sich die Temperaturen empfindlich kalt für diese Tageszeit an. Unsere Inspektion ergibt: Sonne glutrot, keine Sicht, eisige Kälte, Waldbrandgeruch, Asche auf Horu. Bei einer allfälligen Evakuation wären wir hier wahrscheinlich übersehen worden. Regisseur Roland Emmerich lässt grüssen. Wir hören zum Glück noch Autos auf dem HWY, zum Glück in beide Richtungen. Nichts wie weg hier; wir machen uns ungefrühstückt aus dem Aschenstaub. Leider ohne Aussicht vom Rainy Pass aus, dafür mit Aussicht auf ungesperrte Strassen. Die dunstige Sicht und der beissende Rauch verfolgen uns noch meilenweit, bergauf-bergab, wo der Brandherd liegt bleibt uns unbekannt.
Winthrop
In Winthrop werden wir am 11.09. vom wieder klarsichtigen Wilden Westen empfangen. Herrlich, diese Bretterfassaden mit ihren vorgelagerten Holzstegen, aus der Zeit, in der die Damen noch lange Röcke trugen, und die Strassen noch Sandpisten waren. Uns gefällt die kleine Westernstadt, eine Kulisse, wie aus einem berühmten Westernklassiker, nur die parkierten PWs erscheinen uns als groben Regiefehler.
Glacier National Park
Weiter geht’s Richtung Osten, die Sicht trübt sich wieder ein. Dieses Mal wohl eher von den abgeernteten, trockenen Feldern, meilenweit und soweit das Auge rechts und links der Fahrbahn reicht. Hie und da ein grüner Fleck, verursacht durch eine riesige, ferngesteuerte Bewässerungsanlage. Wir fragen uns, ob die Gegend hier schon immer so trocken war, oder durch agrarwirtschaftliche Menschenhand ausgetrocknet wurde. Wehmütig kommen mir die unendlichen Wälder, das Grün, die ‚noch‘ intakte Natur in Alaska und im Yukon in den Sinn. In der grösseren Stadt Spokane kauft sich Sam noch eine AT&T-SIM mit unbegrenzten Daten für drei Monate USA, was mir einen HotSpot mit unbegrenzten Möglichkeiten verspricht. Nur leider kann ich nicht anzapfen. Ich ärgere mich wieder über meinen alten Apfel, möchte ein Software-Update machen, geht nicht, nur über WIFI, ok, Subway heisst die Download-Lösung. Ich muss mich eine halbe Stunde gedulden, bis die Installation beendet ist. Ich rege mich so dermassen auf, dass sich eine Stunde später wieder einmal eine Fieberblatter meldet. AT&T ist der Urheber, denn das Produkt lässt gar keinen HotSpot zu, googlen wir nachher nach. Die zweite Fieberblatter resultiert daraus, dass wir keinen Campground im Glacier National Park finden können: App unübersichtlich, ausgebucht, geschlossen, first come/first serve etc. Wir fahren einfach los, ich habe ja noch freien Platz für weitere Fieberblattern, solange ich nur kein Fieber bekomme….
05.15 Uhr, der Wecker musiziert. Uns wurde gesagt, dass man um 06.00 Uhr in einem der first come/first serve Campgrounds stehen soll, um sich noch einen Platz zu ergattern. Eigentlich wollten wir das ganze Park-Theater mit Wecker-Stellen nicht mitmachen. Naja, der Weckruf von „Jolene-Jolene“ trällert trotzdem. So stehen wir im dunkelsten Dunkel um 06.15 Uhr vor dem Tor des Nationalparks West, die Ampel immer noch auf Rot, obschon um 06.00 Uhr die „Going-to-the-Sun Road“ geöffnet sein sollte – wir fahren einfach durch. Wir sind ein bisschen stinkig, kein Frühstück, Jolene-Jolene immer noch in den verschlafenen Ohren, durch und durch eingefroren und ganz vergessen, dass es um diese Uhrzeit und zu dieser Jahreszeit noch stockdunkel ist. Wir fahren die Loups des ersten Campground ab, alles besetzt! Klar, die schlafen noch. Und, wie sollen wir bei Dunkelheit die kleinen Notizen bei den Sites erkennen, Abreisedatum. Bingo! Wir müssen uns zuerst an den Amerikanischen Way of Campground-Reservierung noch gewöhnen. Es hat sich gelohnt! Welcome to the Glacier National Park, einer der Kronjuwelen der Amerikanischen Nationalparks. Die Kombination aus Naturwunder, Geschichte sowie die Gemeinsamkeit mit dem Waterton Lakes National Park in Kanada wird als Weltkulturerbe und Biosphäre Reservat angesehen. Der weltweit erste internationale, charmant betitelt als „Peace Park“, und der erste, grenzüberschreitende Park (Amerika/Kanada). Peaceful fahren wir weiter Richtung Logan-Pass. Die Sonne geht auf und belohnt uns mit einem atemberaubenden, in Rot getunkter Belichtung der Bergkulisse. Unsere Stimmung heitert mit jedem Sonnenstrahl etwas mehr auf. „Going-to-the-Sun Road“ ist der Hammer! Wir kommen auf dem Hogan Pass an, schnappen den drittletzten Parkplatz (wie könnte es auch anders sein um 08.00 Uhr!) und wollen kurz zum Visitor Center. Anschliessend planen wir, die Fahrt nach St. Mary fortzusetzen, um den nächsten Campingplatz bei Tageslicht abzuchecken. Kaum laufen wir zu unserem Fahrzeug, werden wir von etlichen Beifahrern umkreist. Sind wir Promis? Wollen die Selfies mit uns? Nein, verzweifelt ringen sich alle um unseren Parkplatz (wir hätten diesen teuer verkaufen können). Wir haben einige Anwärter im Schlepptau und wissen nicht, ob die Vergabe nach unserer Abfahrt glimpflich und ohne Verletzte abgelaufen ist. Um 09.30 Uhr kommen wir auf den Campground in St. Mary an und haben Glück. Endlich! Sofort Wanderschuhe montieren und Proviant einpacken. Wir machen uns auf den Rose Creek Trail zum Otokomi Lake. Der Trail geht grösstenteils durch den Wald, oder besser gesagt, durch den Wald, welcher 2015 abgebrannt ist. Der Vorteil: Wir haben eine wunderschöne Aussicht auf den St. Mary Lake und den Mt. Goat Mountain. Eindrückliche Bergketten, abgeschliffen von Gletschern aus vergangenen Zeiten, Gestein verschiedenen Ursprungs, Eisen und Kuper geben ihre Farbe hinzu.
Auf einem der überfüllten Parkplätze sehen wir ein RV mit Zürcher Nummer. Etwas Heimweh kommt auf. Wir treffen Doris und Hans, schon 16 Jahre on Tour und weit weg von zu Hause und das irgendwo in Montana. Wir sind uns sofort sympathisch, wie könnte es anders sein – sie sind auch Höngger! Hans hat heute Geburtstag, was wir natürlich bei einem Whiskey feiern, bei Regen, geschützt von einem Sonnen- und einem Regenschirm, idyllisch am Fluss, ohne Lagerfeuer. Die Rocky Mountains werden immer noch von ausgedehnten Waldbränden beherrscht. Der Sonnenschirm bringt uns Sonne am nächsten Tag, und die rauchverhängten Dunstwolken haben sich durch den Regen etwas aufgelöst.
Yellowstone National Park (Lower Loop)
Am 14.09.2022 öffnet sich für uns das Tor zum Yellowstone National Park. Der Park wurde 1872 gegründet und ist somit der älteste Nationalpark der Welt. Er liegt zum überwiegenden Teil im Bundesstaat Wyoming. Namensgeber ist der grösste Fluss im Park, der Yellowstone River. Der Park ist vor allem für seine geothermalen Quellen, Geysire und Schlammtöpfe, aber auch für seine grosse Anzahl an Wildtieren, wie Grizzlybären, Bisons und Wölfen bekannt und seit 1978 Weltnaturerbe.
Wir stehen ausserhalb des Westeingangs in einem Waldstück auf 2097 m.ü.M., die Temperaturen sind mit 12 Grad am späten Abend noch ganz passabel. 08.00 Uhr: 1 Grad, wir werfen die Heizung kurz an, um unsere Glieder etwas geschmeidiger werden zu lassen. Wir entscheiden uns heute für den Lower Loup und wollen vorerst nur bis zum Pass fahren. Wir besuchen sämtliche Pots, Bassins und Geysire und sind überwältigt, was sich unter unseren Füssen so zusammenbraut. Einige Pots sind erst in den 1950er Jahren entstanden, das ganze Gebiet ist also nicht nur aktiv, sondern könnte jederzeit einen neuen Pot entstehen lassen. Nationalpark-Ranger messen immer wieder mit Infrarot-Thermometern die Temperaturen der Quellen (40-80 Grad), um diese zu beurteilen. Ich frage eine Rangerin, ob sie auch Seismographen einsetzen würden, um ein grösseres Ereignis im Voraus einschätzen zu können. Nein, war die Antwort, nur tägliche Beobachtung. Wir sind von den Naturgewalten ebenso beeindruckt, wie von den Mikroorganismen und Kleinstlebewesen, die den Geysiren ihre wunderbaren Farben von smaragdgrün, über rot und braun bis gelb verleihen. Auch das Wasser erscheint mal dickflüssig-schlammig mal kristallklar. Saftiges Grün in der Mitte, umgeben von einem dezenten Ring in Gelb, der sanft über Orange ins Hellbraune übergeht. Oder von Aquamarin über Saphir bis zu Opal mit einer Sicht bis 15 Meter in die Tiefe. Selbst mit bedecktem Himmel leuchten die heissen Quellen in den verrücktesten Farben. Farbgeber der heissen Quellen sind spezialisierte Mikroorganismen, die sich auf das Leben im warmen Wasser eingestellt haben. Hitzebeständige Cyanobakterien tauchen die Quellen in Orange, Gelb, Blaugrün oder Schwarz. Ausserdem bestimmt die chemische Zusammensetzung des Wassers die Farbe. Ist es kalkhaltig, lagert sich am Grund weisses bis graues Material ab, je nach Eisengehalt können hellgelbe, orangefarbene oder braune Bereiche entstehen. Der Gestank von faulen Eiern interpretieren wir nach dem wunderbaren Tag nun eher als wohlig, warm mit einer Note von Schwefel. Umhüllt von diesem Duft machen wir uns auf den Rückweg, wo sich die Autos plötzlich anstauen. Es ist eine Bisonherde, die die Strassenseite wechselt, aber nicht rudelgesteuert, sondern nur tröpfchenweise. Na ja, für diese wunderbaren Tiere stehen wir gerne im Stau, oder vertreten uns neben ihnen die Füsse. Als aber einer mit seinen Hinterläufen etwas Kapriolen macht, flüchte ich mich doch lieber auf der anderen Seite ins Fahrzeug … ist leider schon besetzt von Sam.
Yellowstone National Park (Upper Loop)
Am 17.09. fahren wir nochmals in den Yellowstone Park. Denn nach dem gestrigen Lower Loop, möchten wir noch den Upper Loop erkunden. Auch hier treffen wir, in den vom Herbst bereits golden gefärbten Wiesen, erneu auf Bison- und Elkherden. Ein landschaftlich wunderschönes Bild wird angenehm unterbrochen von bizarren, dramatischen und mystischen Gebilden in der von Geysieren und Quellen geformten Geologie. Ein guter Platz um den Geruch, Farben und Geräusche in seine Gedanken einzubinden. Und die wärmende Sonne, die kühlen Winde und die Dämpfe der Pools auf der Haut zu spüren. Den Gedanken freien Lauf zu lassen, zusammen mit dem Spiel der Farben. Ich komme nicht darum herum, nochmals ein paar Bilder hochzuladen, auch wenn bereits schon inflationär.